Das Leben mit ME/CFS (Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) oder Long Covid bedeutet oft, dass selbst kleinste Aktivitäten zu einem kompletten Zusammenbruch führen können. Im Video erklärt Mia, die selbst an ME/CFS nach einer Covid-19-Infektion leidet, wie das Konzept des Pacing helfen kann, die Energie besser zu managen und Rückfälle zu vermeiden. Unterstützt von Expert:innen der Charité Berlin und der TU München sowie Organisationen wie Long Covid Deutschland und der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS, wird deutlich, warum diese Methode nicht nur für ME/CFS-Patient:innen, sondern auch für Menschen mit Long Covid so wichtig ist.
- ME/CFS und Long Covid: Eine gemeinsame Herausforderung
- Was ist Pacing und warum ist es so wichtig?
- Herausforderungen für ME/CFS- und Long-Covid-Betroffene
- Gemeinsame Erfahrungen von ME/CFS- und Long-Covid-Betroffenen
- Pacing: Eine Praxis, die Leben verändern kann
- Warum Pacing nicht nur Betroffene, sondern auch Gesellschaft und Medizin angeht
- Es braucht dringend mehr Aufmerksamkeit
- Die Rolle von Forschung und Solidarität: Was jetzt dringend nötig ist
ME/CFS und Long Covid: Eine gemeinsame Herausforderung
Sowohl ME/CFS als auch Long Covid gehen oft mit Post-Exertional Malaise (PEM) einher, dem Kernsymptom von ME/CFS. PEM beschreibt eine Verschlechterung der Symptome nach geringer körperlicher oder mentaler Anstrengung. Typisch ist, dass die Symptome nicht sofort, sondern zeitverzögert auftreten und für Tage, Wochen oder sogar Monate anhalten können.
Bei Menschen mit Long Covid zeigen Studien, dass PEM eines der häufigsten Symptome ist. Diese Ähnlichkeit zu ME/CFS macht es notwendig, dass auch Long-Covid-Betroffene Pacing als Strategie kennenlernen und anwenden.
Was ist Pacing und warum ist es so wichtig?
Pacing ist keine Heilung, sondern eine Methode, die dabei hilft, mit den begrenzten Energiereserven zu leben, die ME/CFS- und Long-Covid-Betroffene haben. Ziel ist es, die individuelle Energiegrenze nicht zu überschreiten und so Verschlechterungen zu vermeiden.
Die Grundprinzipien von Pacing:
- Erkennen der eigenen Grenzen: Jede:r Betroffene hat eine andere Belastungsgrenze, die durch systematische Beobachtung erkannt werden muss.
- Vermeidung von Überlastung: Durch genaue Planung und Priorisierung wird verhindert, dass Symptome durch Überanstrengung verschärft werden.
- Einsatz von Ruhepausen: Geplante Ruhephasen sind essenziell, um Energie zu schonen.
Ein Beispiel aus dem Alltag:
Mia vergleicht ihre Energie mit einer Batterie, die nie vollständig aufgeladen wird. Jede Aktivität – vom Kochen bis zum Telefonieren – entzieht der Batterie Energie. Sobald die Batterie leer ist, droht ein „Crash“. Durch Pacing lernt sie, ihre Aktivitäten so zu priorisieren, dass sie ihre begrenzte Energie optimal nutzt.
Herausforderungen für ME/CFS- und Long-Covid-Betroffene
Die Schwierigkeit, Grenzen einzuhalten
Für viele Betroffene ist es schwer, ihre Energiereserven einzuschätzen, da die Symptome oft zeitverzögert auftreten. Dazu kommen unvorhergesehene Ereignisse wie Arztbesuche, die das sorgfältige Pacing stören. Besonders für schwer Betroffene kann selbst eine Grundaktivität wie Duschen oder Essen bereits zu einem „Crash“ führen.
Emotionale Belastungen
Die Einschränkungen durch Pacing sind auch psychisch belastend. Viele Betroffene fühlen sich isoliert, da sie soziale Kontakte und spontane Aktivitäten meiden müssen, um ihre Energie zu schonen. Mia beschreibt, wie schwierig es ist, sich an ein Leben anzupassen, das von ständigen Einschränkungen geprägt ist.
Gemeinsame Erfahrungen von ME/CFS- und Long-Covid-Betroffenen
Die Überschneidungen zwischen ME/CFS und Long Covid verdeutlichen, wie wichtig ein gemeinsamer Ansatz in der Forschung und Versorgung ist. Viele Long-Covid-Betroffene berichten, dass ihre Symptome durch Anstrengung ähnlich wie bei ME/CFS verschlimmert werden. Doch trotz der Millionen von Menschen, die von Long Covid betroffen sind, und der 250.000 ME/CFS-Betroffenen allein in Deutschland, bleibt die Unterstützung durch das Gesundheitssystem unzureichend.
Pacing: Eine Praxis, die Leben verändern kann
Schritte für den Einstieg:
- Aktivität reduzieren: Zu Beginn wird empfohlen, das Aktivitätsniveau um 50 % zu reduzieren, um die Belastungsgrenze besser kennenzulernen.
- Aktivitätstagebuch führen: Alle Aktivitäten – auch mentale – sollten dokumentiert werden, um Muster zu erkennen.
- Ruhepausen einplanen: Während der Pausen ist völlige Ruhe notwendig, ohne Fernsehen, Radio oder Handy.
Langsames Wiederaufbauen:
Nach einer Stabilisierung können Aktivitäten behutsam wieder gesteigert werden. Es ist jedoch wichtig, auf Warnsignale wie Halsschmerzen oder Muskelkater zu achten, die auf eine drohende Überlastung hinweisen.
Warum Pacing nicht nur Betroffene, sondern auch Gesellschaft und Medizin angeht
Das Konzept des Pacing ist nicht nur eine individuelle Strategie, sondern auch ein Appell an die Gesellschaft, die Lebensrealität von ME/CFS- und Long-Covid-Betroffenen zu verstehen. Beide Erkrankungen sind nicht nur gesundheitliche Herausforderungen, sondern auch systemische Probleme. Die mangelnde Forschung, unzureichende Unterstützung und fehlende Anerkennung verschärfen das Leid der Betroffenen unnötig.
Es braucht dringend mehr Aufmerksamkeit
Das Video zeigt eindrucksvoll, wie wichtig es ist, dass ME/CFS und Long Covid endlich die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Pacing kann Betroffenen helfen, ihr Leben besser zu managen, doch es ist keine Lösung für die systemischen Probleme. Es braucht mehr Forschung, bessere Versorgung und ein gesellschaftliches Bewusstsein für die schweren Belastungen, die diese Krankheiten mit sich bringen.
Die Krankheit mag unsichtbar sein, doch die Folgen sind es nicht. Es ist an der Zeit, dass wir gemeinsam handeln.
Die Rolle von Forschung und Solidarität: Was jetzt dringend nötig ist
Ein entscheidender Punkt, der im Kontext von ME/CFS und Long Covid häufig übersehen wird, ist die Bedeutung von Forschung und gesellschaftlicher Solidarität. Während die Betroffenen durch Pacing eine wichtige Strategie zur Stabilisierung an die Hand bekommen, bleibt die große Hoffnung auf medizinische Fortschritte. Es gibt derzeit keine Heilung für ME/CFS, und auch bei Long Covid steht die Forschung erst am Anfang. Internationale Studien und vielversprechende Ansätze, etwa zur Rolle von Autoantikörpern und der Reaktivierung von Viren wie EBV (Epstein-Barr-Virus), müssen dringend unterstützt werden.
Doch nicht nur die Wissenschaft ist gefragt: Auch die Gesellschaft spielt eine entscheidende Rolle. Die Stigmatisierung von Betroffenen – sei es durch mangelndes Verständnis oder das Abtun ihrer Beschwerden – verschärft das Leid unnötig. Es ist wichtig, dass Angehörige, Freund:innen und Kolleg:innen die Herausforderungen dieser unsichtbaren Krankheiten erkennen und aktiv Unterstützung anbieten. Solidarität beginnt mit Zuhören und der Bereitschaft, sich über ME/CFS und Long Covid zu informieren.
Nur durch eine Kombination aus gezielter Forschung, einem besser ausgestatteten Gesundheitssystem und einer solidarischen Gesellschaft können wir den Betroffenen nicht nur Hoffnung, sondern auch konkrete Perspektiven bieten.