Das Video erzählt die bewegende Geschichte von Ronja, einer 29-jährigen Frau, deren Leben durch die Erkrankung ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) drastisch verändert wurde. Es wirft ein Licht auf die täglichen Herausforderungen, die Betroffene bewältigen müssen, und zeigt zugleich die systemischen Probleme auf, die ihnen den Weg zur Hilfe erschweren.
Ronjas Leben mit ME/CFS
Ein schleichender Beginn
Ronjas Krankheit begann im Juli 2020 mit 40 Grad Fieber und geschwollenen Lymphknoten. Ihr Hausarzt schickte sie ohne Tests nach Hause, mit der Empfehlung, sich auszukurieren. Zwei Monate später traten die ersten ME/CFS-Symptome auf: bleierne Müdigkeit, extreme Erschöpfung und körperliche Schwäche.
Die Diagnose ME/CFS erhielt Ronja jedoch erst anderthalb Jahre später. In dieser Zeit durchlief sie unzählige Untersuchungen und Rückschläge, darunter die Zurückweisung ihrer Beschwerden durch ihren Hausarzt, der sie als „Anpassungsstörung“ abtat.
Die unsichtbare Belastung
Ein Alltag voller Hürden
ME/CFS ist eine Krankheit, die man Betroffenen äußerlich oft nicht ansieht. Doch für Ronja bedeutet jeder Tag ein Kampf. Ihr Leben, einst geprägt von Aktivität und Spontaneität, spielt sich nun fast ausschließlich in ihrer Wohnung ab. Spontane Treffen mit Freunden oder kleine Ausflüge müssen sorgfältig geplant werden, da schon kleine Belastungen einen hohen Preis fordern.
Nach einem 500-Meter-Spaziergang und einem Besuch in der Eisdiele benötigte Ronja zwei Wochen zur Erholung – geplagt von Schmerzen, Grippegefühl und völliger Erschöpfung.
Das gesellschaftliche und medizinische Problem
Unzureichende Forschung und Anerkennung
ME/CFS betrifft allein in Deutschland rund 250.000 Menschen, dennoch gibt es kaum Forschung und nur wenige Ärzte, die die Krankheit ernst nehmen. Viele Betroffene fühlen sich von der Medizin und der Gesellschaft allein gelassen, da es bislang keinen Biomarker gibt, um die Krankheit zweifelsfrei nachzuweisen.
Dr. Bettina Hohberger, eine Forscherin der Uniklinik Erlangen, erklärt, dass Long Covid und ME/CFS ähnliche Symptome zeigen, was neue Erkenntnisse ermöglicht. Doch der Fokus der staatlichen Förderung liegt bisher auf Long Covid, während ME/CFS-Patienten auf private Initiativen angewiesen sind.
Die Hoffnung auf ein Medikament
Neue Forschungsansätze
Aktuell wird ein Medikament erforscht, das ursprünglich für Long-Covid-Betroffene entwickelt wurde, aber auch ME/CFS-Patienten helfen könnte. Eine breitenwirksame Behandlung ist jedoch frühestens in drei bis fünf Jahren realistisch. Ronja setzt ihre Hoffnung auf diese Entwicklung, doch die lange Wartezeit und die Unsicherheit sind eine enorme Belastung.
Private Unterstützung und Spenden
Ronja erhält keine finanzielle Unterstützung vom Staat oder ihrer Krankenkasse. Sie ist auf die Hilfe ihrer Eltern, Großeltern und ihres Partners angewiesen, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken. Ein privates Spendenprojekt soll die Forschung zu einem potenziellen Medikament vorantreiben, doch auch hier fehlt es an politischer und gesellschaftlicher Unterstützung.
Die Forderungen der Betroffenen
Die Betroffenen von ME/CFS kämpfen nicht nur mit ihrer Krankheit, sondern auch mit einem System, das sie weitgehend ignoriert. In einer Petition an den Deutschen Bundestag, die fast 100.000 Unterschriften sammelte, fordern sie:
- Förderung der Forschung: Staatliche Unterstützung für die Entwicklung wirksamer Medikamente.
- Aufklärungskampagnen: Sensibilisierung der Gesellschaft und der Ärzteschaft für ME/CFS.
- Finanzielle Absicherung: Eine bessere soziale Absicherung für Erkrankte, um ihre finanzielle Not zu lindern.
So darf es einfach nicht weiter gehen
Diese Erfahrungen ist keine Ausnahme, sondern ein Beispiel für die vielen unsichtbaren Schicksale, die durch ME/CFS geprägt sind. Sie zeigt, wie wichtig es ist, dass Politik, Gesellschaft und Medizin endlich Verantwortung übernehmen und den Betroffenen die Unterstützung bieten, die sie so dringend benötigen.
Es bleibt zu hoffen, dass die Forschung Fortschritte macht und die Gesellschaft aufwacht – denn jede Verzögerung bedeutet weiteres Leid für die Betroffenen.
Psychische Belastungen: Der unsichtbare Kampf
Neben den körperlichen Beschwerden ist ME/CFS für viele Betroffene auch eine immense psychische Herausforderung. Isolation, das Gefühl, von der Gesellschaft vergessen zu werden, und die Ungewissheit über die Zukunft belasten die Betroffenen schwer. Ronja spricht im Video davon, wie schwer es für sie ist, immer wieder auf Hilfe angewiesen zu sein. „Man fühlt sich irgendwann wie eine Last für andere,“ beschreibt sie ihre Sorgen. Viele Betroffene verlieren durch die Krankheit ihre sozialen Kontakte und müssen mit Unverständnis oder gar Stigmatisierung umgehen. Dies zeigt, dass die Krankheit nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch ihr soziales Umfeld stark beeinflusst.
Systemische Probleme im Umgang mit ME/CFS
Ronjas Abhängigkeit von privater Unterstützung durch Familie und Freunde ist kein Einzelfall. In vielen Fällen fehlen staatliche Absicherungen, die den Betroffenen zumindest eine finanzielle Basis bieten könnten. Die Krankenkassen erkennen ME/CFS oft nicht als eigenständige Erkrankung an, was bedeutet, dass viele medizinische Behandlungen und Hilfsmittel aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. Dies stellt insbesondere für Menschen, die nicht auf familiäre Unterstützung zählen können, eine existenzielle Bedrohung dar.
Die fehlende soziale Absicherung zeigt die systemischen Schwächen unseres Gesundheitssystems: Eine Krankheit wie ME/CFS, die keinen eindeutigen Biomarker hat und oft falsch interpretiert wird, fällt durch die Raster der sozialen Sicherungsnetze. Diese Lücke ist für viele Betroffene nicht nur eine finanzielle Belastung, sondern auch eine Quelle großer psychischer Not.
Länder mit fortschrittlicherem Umgang: Ein Blick über den Tellerrand
Ein Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass Fortschritte möglich sind, wenn Forschung und staatliche Unterstützung Priorität haben. In Norwegen beispielsweise hat die Regierung ein umfassendes Forschungsprojekt zu ME/CFS gestartet, das auch die Bedürfnisse der Patienten stärker berücksichtigt. In den USA gibt es größere Stiftungsinitiativen und öffentliche Kampagnen, um die Gesellschaft für ME/CFS zu sensibilisieren. Diese Beispiele machen Hoffnung und zeigen, dass ein besserer Umgang mit der Krankheit auch in Deutschland und der Schweiz möglich wäre – wenn der politische Wille da ist.
Was können wir daraus schliessen?
Ronjas Geschichte ist eine Erinnerung daran, dass niemand von uns sicher vor einer Erkrankung wie ME/CFS ist. Ob jung oder alt, gesund oder bereits vorbelastet – diese Krankheit kann jeden treffen. Es ist an der Zeit, dass Politik und Gesellschaft handeln, um den Betroffenen eine Stimme zu geben. Denn die Frage, wie wir mit unsichtbaren Krankheiten wie ME/CFS umgehen, ist auch eine Frage, wie wir als Gesellschaft mit unseren verletzlichsten Mitgliedern umgehen. Jede und jeder kann einen Beitrag leisten: Sei es durch Aufklärung, Unterstützung von Betroffenen oder die Forderung nach mehr Forschung und fairer Versorgung. Nur gemeinsam können wir diese unsichtbare Krankheit sichtbar machen.