#kurzerklärt: ME/CFSkurzerklärt: ME/CFS – Erschöpft nach der Infektion

Quelle: Tagesschau – Facebook.com (Entschuldigt bitte das riesen Video, es lässt sich leider aktuell nicht anders verlinken)

Ein kleiner Teil der Post Covid-Patient:innen entwickelt eine Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Das ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die auch nach anderen, eigentlichen harmlosen Infektionskrankheiten auftreten kann.

Was ist ME/CFS? Ursachen und Symptome der neuroimmunologischen Erkrankung

Die Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) ist eine schwere neuroimmunologische Multisystemerkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt. Weltweit sind etwa 17 Millionen Menschen betroffen, in Deutschland wurden vor der COVID-19-Pandemie etwa 250.000 Menschen mit ME/CFS gezählt, darunter 40.000 Kinder und Jugendliche. Expert:innen gehen davon aus, dass sich die Zahl der Erkrankten durch COVID-19 verdoppelt hat.

ME/CFS ist keine moderne Krankheit. Sie wurde bereits in den 1930er Jahren wissenschaftlich beschrieben und seit 1969 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als neurologische Erkrankung klassifiziert. Dennoch bleibt sie im Gesundheitssystem oft unerkannt oder wird falsch eingeordnet.

Das Leitsymptom: Post-Exertionelle Malaise (PEM)

Was ME/CFS von einfacher Erschöpfung oder dem Symptom Fatigue unterscheidet, ist vor allem ein charakteristisches Symptom: die Post-Exertionelle Malaise (PEM). Dies ist eine ausgeprägte und anhaltende Verschlechterung aller Symptome nach körperlicher oder geistiger Anstrengung.

Bei ME/CFS-Betroffenen kann schon eine minimale Belastung eine massive Symptomverschlechterung auslösen. Alltägliche Aktivitäten wie Zähneputzen, Duschen oder ein kurzes Gespräch können zu tagelanger Bettruhe zwingen. Bei schwer Betroffenen kann schon das Umdrehen im Bett oder die bloße Anwesenheit einer Person im Raum eine PEM auslösen.

Diese Zustandsverschlechterung tritt häufig zeitverzögert auf, oft erst 24 bis 72 Stunden nach der Belastung, was es für Betroffene schwer macht, den Auslöser zu identifizieren. Die PEM kann Tage oder Wochen anhalten und sogar zu dauerhaften Verschlechterungen führen.

Weitere Symptome

Neben der PEM leiden ME/CFS-Betroffene unter einer Vielzahl weiterer Symptome:

  • Schwere Fatigue (körperliche Schwäche), die das Aktivitätsniveau erheblich einschränkt
  • Orthostatische Intoleranz (Probleme beim Stehen oder Sitzen aufgrund von Kreislaufstörungen)
  • Neurokognitive Symptome wie “Brain Fog” (Konzentrations- und Gedächtnisprobleme)
  • Schlafstörungen trotz extremer Erschöpfung
  • Muskel- und Gelenkschmerzen
  • Überempfindlichkeit gegenüber Sinnesreizen (Licht, Geräusche, Gerüche)
  • Grippe-ähnliche Symptome wie Halsschmerzen und geschwollene Lymphknoten
  • Verdauungsprobleme und Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Die Schwere der Erkrankung variiert stark. ME/CFS wird in vier Schweregrade eingeteilt: mild, moderat, schwer und sehr schwer. Selbst bei milder Ausprägung sind die Betroffenen im Vergleich zu ihrem früheren Funktionsniveau deutlich eingeschränkt. Bei schwerer und sehr schwerer Ausprägung sind die Betroffenen ans Haus oder Bett gebunden und benötigen Unterstützung bei alltäglichen Verrichtungen.

Pacing bei ME/CFS: Energiemanagement im Alltag für Betroffene

Da es bisher keine ursächliche Therapie für ME/CFS gibt, ist das wichtigste Element des Symptommanagements das sogenannte “Pacing”. Hierbei handelt es sich um ein Aktivitäts- und Energiemanagement, das darauf abzielt, innerhalb der durch die Erkrankung vorgegebenen Belastungsgrenzen zu bleiben.

Pacing bedeutet, die zur Verfügung stehende Energie sorgsam einzuteilen und Überlastung strikt zu vermeiden. Ziel ist es, die Häufigkeit und Schwere der “Crashs” (PEM-Episoden) zu reduzieren und eine langfristige Verschlechterung zu verhindern.

Die “Löffel-Theorie” von Christine Miserandino ist ein anschauliches Gedankenexperiment, das die Lebensrealität von ME/CFS-Betroffenen verdeutlicht: Während gesunde Menschen eine unbegrenzte Anzahl an Energieeinheiten (symbolisiert durch Löffel) zur Verfügung haben, beginnen ME/CFS-Betroffene den Tag mit einer stark begrenzten Anzahl und müssen sorgfältig planen, wofür sie diese einsetzen.

Für ein effektives Pacing ist es wichtig:

  • Die eigenen Grenzen zu kennen und zu respektieren
  • Aktivitäten zu planen und zu priorisieren
  • Pausen einzulegen, bevor Erschöpfung eintritt
  • Aktivitäten in kleinere Einheiten aufzuteilen
  • Ein Symptomtagebuch zu führen
  • Bei manchen Betroffenen kann ein Herzfrequenzmesser helfen, Überanstrengung zu vermeiden

Pacing ist allerdings keine Behandlung im engeren Sinne und kann nicht jeden “Crash” verhindern. Es ist vielmehr eine Strategie, um mit den Symptomen umzugehen und die Lebensqualität so weit wie möglich zu erhalten.

ME/CFS und die Herausforderungen im Gesundheitssystem: Diagnose und Versorgung

Obwohl ME/CFS seit über 50 Jahren als neurologische Erkrankung anerkannt ist, werden Betroffene im Gesundheitssystem häufig mit erheblichen Hürden konfrontiert:

  • ME/CFS wird in der medizinischen Ausbildung kaum behandelt und ist vielen Ärzt:innen unbekannt
  • Die Diagnose ist langwierig und erfolgt oft erst nach mehrjähriger Odyssee
  • Betroffene berichten oft vom Gefühl, nicht ernst genommen zu werden
  • Es fehlt an spezialisierten Anlaufstellen und Versorgungsstrukturen
  • Die Erkrankung wird fälschlicherweise oft als psychosomatisch eingestuft
  • Fehlbehandlungen können zu dauerhaften Verschlechterungen führen

Diese Herausforderungen können die ohnehin schwere Belastung durch die Erkrankung noch verstärken. Für Betroffene ist es daher wichtig, sich über die Erkrankung zu informieren und wenn möglich eine:n ME/CFS-kundige:n Ärzt:in zu finden.

ME/CFS und Long COVID: Gemeinsamkeiten und Unterschiede der postviralen Erkrankungen

Die COVID-19-Pandemie hat zu einer verstärkten Aufmerksamkeit für ME/CFS geführt, da ein Teil der Post-COVID-Patient:innen ähnliche Symptome entwickelt. Mehrere Studien zeigen, dass etwa die Hälfte der Patient:innen, die sechs Monate nach einer COVID-19-Infektion noch unter Symptomen leiden, die Diagnosekriterien für ME/CFS erfüllen.

Zwischen ME/CFS und Long COVID gibt es zahlreiche Überschneidungen:

  • Beide können nach Virusinfektionen auftreten
  • Beide weisen das charakteristische Symptom der Post-Exertionellen Malaise auf
  • Beide sind durch ähnliche Symptome wie Fatigue, neurokognitive Probleme und Kreislaufstörungen gekennzeichnet
  • Bei beiden Erkrankungen werden ähnliche Veränderungen im Immunsystem und in der Durchblutung beobachtet

Es gibt jedoch auch Unterschiede. Bei Long COVID treten zusätzlich spezifische Symptome wie Geruchs- und Geschmacksverlust auf, die für ME/CFS nicht typisch sind. Zudem ist noch nicht abschließend geklärt, ob es sich um identische Krankheitsmechanismen handelt oder nur um ähnliche Symptome.

Die erhöhte Aufmerksamkeit für Long COVID könnte eine Chance für die ME/CFS-Forschung sein. Beide Erkrankungen sollten gemeinsam beforscht werden, um Kompetenzen zu bündeln und neue Erkenntnisse für beide Patient:innengruppen zu gewinnen.

Die Bedeutung von Community und Vernetzung

Für Menschen mit ME/CFS, die oft isoliert und unsichtbar leiden, ist der Austausch mit anderen Betroffenen besonders wertvoll. Eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten bietet nicht nur emotionale Unterstützung, sondern auch praktische Hilfen im Umgang mit der Erkrankung.

Die Initiative “Ich bin kein Einzelfall” schafft einen solchen Raum für Austausch, Information und Unterstützung. Sie setzt sich dafür ein, ME/CFS sichtbarer zu machen und die Versorgung von Betroffenen zu verbessern.

Die Community ermöglicht es, Erfahrungen zu teilen, sich gegenseitig zu beraten und eine kollektive Stimme zu entwickeln, die in Gesellschaft und Politik Gehör findet. Gemeinsam lässt sich mehr erreichen als allein.

Die verschiedenen Mitgliedschaftsoptionen bieten unterschiedliche Möglichkeiten, Teil dieser Gemeinschaft zu werden und sich je nach persönlichen Möglichkeiten einzubringen. Weitere Informationen dazu findest du unter https://ichbinkeineinzelfall.ch/mitgliedschaftsoptionen/.

Der Weg in die Zukunft

Leben mit ME/CFS bedeutet oft, mit großen Einschränkungen umgehen zu müssen. Dennoch gibt es Hoffnung. Die durch die COVID-19-Pandemie verstärkte Aufmerksamkeit für postvirale Erkrankungen könnte zu Fortschritten in Forschung und Versorgung führen.

Bis wirksame Behandlungen gefunden werden, ist es für Betroffene wichtig:

  • Sich über die Erkrankung zu informieren
  • Einen sorgsamen Umgang mit den eigenen Energiereserven zu entwickeln
  • Sich mit anderen Betroffenen zu vernetzen
  • Unterstützung zu suchen, sei es im privaten Umfeld oder durch professionelle Hilfe

ME/CFS: Persönlicher Erfahrungsbericht einer Betroffenen zeigt eindrücklich, wie der Alltag mit dieser schweren Erkrankung aussehen kann und welche Strategien helfen können, damit umzugehen.

Du bist nicht allein mit dieser Erkrankung. Es gibt viele, die Ähnliches erleben und die verstehen, wie es sich anfühlt. Gemeinsam können wir dazu beitragen, das Bewusstsein für ME/CFS zu schärfen und die Situation für alle Betroffenen zu verbessern.

Deine Geschichte zählt

Lebst du mit ME/CFS oder kennst jemanden, der betroffen ist? Jede Erfahrung ist einzigartig und doch verbindet uns vieles. Das Teilen persönlicher Geschichten kann nicht nur therapeutisch für dich selbst sein, sondern auch anderen Betroffenen zeigen, dass sie nicht allein sind.

Auf der Seite „Persönliche Geschichten mit ME/CFS” findest du bewegende Berichte von Menschen, die mit dieser Erkrankung leben. Ihre Worte geben Einblick in die Realität mit ME/CFS und brechen das Schweigen über eine oft unsichtbare Krankheit.

Hast du den Mut, deine eigene Geschichte zu erzählen? Deine Erfahrungen können anderen Hoffnung geben, Verständnis fördern und dazu beitragen, dass ME/CFS in der Gesellschaft sichtbarer wird. Jede einzelne Stimme verstärkt unsere gemeinsame Botschaft: Wir sind keine Einzelfälle – zusammen können wir etwas bewegen.

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