Die Achterbahn der Symptome: Ständiges Auf und Ab bei Long Covid und ME/CFS

Leben mit Long Covid oder ME/CFS fühlt sich oft wie eine emotionale und körperliche Achterbahnfahrt an. Es gibt Tage, an denen du dich ein kleines bisschen besser fühlst – genug, um zu hoffen, dass die Krankheit langsam nachlässt. Doch dann kommt der Absturz: Die Symptome kehren mit voller Wucht zurück, manchmal schlimmer als je zuvor. Und das Schlimmste? Du weißt nicht, warum. Was hast du falsch gemacht? Lag es an der Aktivität gestern? An der Wetterlage? Am Essen?

Dieses ständige Auf und Ab der Symptome ist nicht nur körperlich belastend, sondern auch eine enorme psychische Herausforderung. Lass uns diese Achterbahnfahrt genauer betrachten: Warum passiert das? Was macht es mit dir – und wie kannst du damit umgehen?


Das Auf und Ab der Symptome: Warum ist das so?

Bei chronischen Erkrankungen wie Long Covid und ME/CFS ist die Stabilität des Körpers gestört. Dein Nervensystem, Immunsystem und Energiemanagement sind durcheinander. An einem Tag scheinen die Systeme besser zu funktionieren, am nächsten Tag kollabieren sie förmlich.

Mögliche Mechanismen hinter der Achterbahnfahrt:

  1. Energie-Missmanagement:
    Dein Körper hat nicht die Energie, die er benötigt, um normal zu funktionieren. Das Auf und Ab zeigt, wie labil das System ist: Ein kleiner Energieschub (z. B. durch Ruhe) kann kurzfristig eine Verbesserung bringen, aber er reicht nicht, um langfristig Stabilität zu schaffen.
  2. Post-Exertional Malaise (PEM):
    Nach jeder Anstrengung – ob körperlich, geistig oder emotional – verschlechtern sich die Symptome. Oft tritt diese Verschlechterung erst Stunden oder Tage nach der Belastung auf, sodass es schwer ist, einen klaren Zusammenhang zu erkennen.
  3. Entzündungen und Immunreaktionen:
    Chronische Entzündungen oder Fehlregulationen im Immunsystem können schwanken, je nachdem, was den Körper zusätzlich belastet (z. B. Infekte, Stress, Ernährung).
  4. Nervensystem auf Alarmbereitschaft:
    Ein dauerhaft überreiztes Nervensystem führt dazu, dass selbst kleine Trigger eine Verschlechterung auslösen können.
  5. Unvorhersehbare Trigger:
    Manche Ursachen für Symptomverschlechterungen lassen sich schlicht nicht identifizieren. Wetterumschwünge, Hormonschwankungen oder andere unsichtbare Faktoren spielen oft eine Rolle.

Wie fühlt sich diese Achterbahnfahrt an?

1. Die Hoffnung, wenn es besser wird:

Du wachst auf und merkst: Heute fühlt sich dein Körper ein bisschen leichter an. Die Schmerzen sind weniger intensiv, die Erschöpfung scheint etwas nachgelassen zu haben. Vielleicht wagst du dich an Aufgaben, die du lange vermieden hast. Ein Spaziergang, ein Telefonat oder ein kurzer Ausflug ins Café – diese Momente geben Hoffnung.

2. Der Absturz:

Doch schon am nächsten Tag – oder sogar noch am Abend – kommt der Rückschlag. Die Symptome sind zurück, oft schlimmer als zuvor. Alles fühlt sich wieder schwer und überwältigend an. Du fragst dich: „Warum? Was habe ich falsch gemacht?“

3. Das Rätselraten:

Es ist frustrierend, wenn es keine klaren Antworten gibt. War es der Spaziergang? Das Gespräch? Eine Mahlzeit? Oder kam die Verschlechterung einfach aus dem Nichts? Diese Unsicherheit führt oft zu Selbstzweifeln und Angst, etwas falsch zu machen.

4. Die psychische Belastung:

Das ständige Hin und Her ist nicht nur körperlich, sondern auch emotional zermürbend. Hoffnung wird immer wieder enttäuscht, und das Vertrauen in den eigenen Körper schwindet. Manchmal fragst du dich: „Werde ich jemals wieder stabil sein?“


Was macht diese Achterbahnfahrt mit dir?

1. Körperliche Erschöpfung:

Jeder Absturz bringt den Körper weiter an seine Grenzen. Der dauerhafte Kampf um Stabilität kostet Kraft, die ohnehin schon knapp ist.

2. Emotionale Überforderung:

Das Auf und Ab kann Gefühle wie Verzweiflung, Wut und Traurigkeit auslösen. Es ist schwer, Hoffnung zu bewahren, wenn es keine Kontinuität gibt.

3. Angst vor dem nächsten Absturz:

Viele Betroffene entwickeln eine tiefe Unsicherheit, weil sie nie wissen, wann der nächste Crash kommt. Diese Angst kann dazu führen, dass sie sich immer weiter zurückziehen, aus Angst, etwas falsch zu machen.

4. Soziale Isolation:

Das Auf und Ab macht es schwer, Pläne zu schmieden oder verlässlich für andere da zu sein. Freunde und Familie können die Schwankungen oft nicht nachvollziehen, was zu Missverständnissen führt.

5. Selbstzweifel:

Wenn es keine offensichtlichen Auslöser gibt, fängt man an, an sich selbst zu zweifeln. „Stelle ich mich an? Habe ich wirklich alles richtig gemacht?“


Was kannst du tun, um mit dem Auf und Ab umzugehen?

Auch wenn du die Achterbahnfahrt nicht vollständig stoppen kannst, gibt es Strategien, um besser damit umzugehen:

1. Akzeptiere die Schwankungen

So schwer es fällt: Dieses Auf und Ab gehört momentan zu deinem Krankheitsbild. Es ist keine Schwäche von dir, sondern Teil der Krankheit.

2. Pacing konsequent anwenden

Pacing bedeutet, deine Aktivitäten so einzuteilen, dass du Abstürze möglichst vermeidest.

  • Plane Pausen ein: Auch an guten Tagen solltest du dich regelmäßig ausruhen, bevor du dich überforderst.
  • Vermeide Überanstrengung: Setze klare Grenzen und hör auf deinen Körper, auch wenn du dich gerade gut fühlst.

3. Führe ein Symptomtagebuch

Schreibe auf, wie es dir jeden Tag geht und welche Aktivitäten du gemacht hast. So kannst du besser nachvollziehen, was mögliche Auslöser für das Auf und Ab sein könnten.

4. Sei freundlich zu dir selbst

Du machst nichts „falsch“. Selbst wenn du einen Absturz erlebst, hast du nicht versagt. Sei geduldig mit dir selbst und gib dir die Zeit, die dein Körper braucht.

5. Lass dich unterstützen

Sprich mit Freunden, Familie oder einer Selbsthilfegruppe über deine Erfahrungen. Es hilft, mit Menschen zu reden, die ähnliche Erfahrungen machen oder bereit sind, dir zuzuhören.


Warum ist es so schwer, die Ursachen zu finden?

Viele Betroffene versuchen verzweifelt, Muster zu erkennen – doch oft bleibt der Grund für die Schwankungen ein Rätsel. Warum?

  1. Die Krankheit ist komplex:
    ME/CFS und Long Covid betreffen mehrere Körpersysteme gleichzeitig – das Nervensystem, das Immunsystem, den Stoffwechsel. Die Wechselwirkungen sind kompliziert und noch nicht vollständig verstanden.
  2. Individuelle Unterschiede:
    Was bei einer Person einen Absturz auslöst, hat bei einer anderen Person keinen Einfluss.
  3. Verzögerte Reaktionen:
    Manchmal tritt die Verschlechterung erst Tage nach der Belastung auf, was die Zuordnung erschwert.
  4. Unsichtbare Faktoren:
    Wetterveränderungen, Hormonschwankungen oder stille Infektionen können eine Rolle spielen, ohne dass du sie bemerkst.

Was bleibt: Geduld und Selbstmitgefühl

Dieses ständige Auf und Ab kann einen zermürben, das ist verständlich. Aber es hilft, sich klarzumachen: Dein Körper arbeitet immer noch für dich, auch wenn es sich manchmal anders anfühlt. Jede kleine Verbesserung ist ein Zeichen, dass Heilung möglich ist, auch wenn der Weg steinig ist.

Konzentriere dich darauf, was dir guttut, und sei stolz auf jeden kleinen Schritt. Und wenn die Achterbahn gerade wieder abwärtsfährt, denk daran: Es geht irgendwann auch wieder bergauf.

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