Corona-Variante «Nimbus»: Was Schweizer Betroffene wissen müssen

Mitten im Sommer häufen sich wieder Berichte über Grippesymptome – trotz hochsommerlicher Temperaturen. In den sozialen Netzwerken beschreiben Menschen plötzliche Erkrankungen mit extremen Halsschmerzen und starker Erschöpfung. Eine Nutzerin berichtet: “Es fühlt sich an, als würde ich Glas schlucken und mein Kopf explodiert jetzt dann.” Der Grund könnte die neue Corona-Variante «Nimbus» sein, die seit Ende Mai von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beobachtet wird.

Für Menschen mit chronischen Erkrankungen, Long COVID oder ME/CFS ist diese Entwicklung besonders beunruhigend. Eine erneute Infektion könnte die bereits bestehenden Symptome verschlimmern oder zu einem Rückfall führen. Was bedeutet die neue Variante für vulnerable Gruppen in der Schweiz?

Die neue Variante und ihre Ausbreitung

Bei «Nimbus» (offizielle Bezeichnung: NB.1.8.1) handelt es sich um einen neuen Subtyp der bereits bekannten Omikron-Variante. Die WHO hat sie Ende Mai 2025 unter Beobachtung gestellt, nachdem sie sich zunächst im westpazifischen Raum ausbreitete – vor allem in China, Australien und Japan. Die Variante unterscheidet sich genetisch von den bisher dominierenden Corona-Stämmen und scheint eine höhere Übertragbarkeit zu haben.

“Auch in der Schweiz beobachten wir, dass die Viruskonzentration im Abwasser wieder zunimmt”, erklärt Richard Neher von der Universität Basel. Noch sei sie auf einem niedrigen Niveau, aber der Trend ist eindeutig. Welche Varianten genau zirkulieren, lässt sich derzeit nicht eindeutig sagen, da entsprechende Analysen fehlen. Neher vermutet jedoch, dass die Verteilung ähnlich sei wie in den Nachbarländern.

Zum Vergleich: In Deutschland war «Nimbus» laut Robert Koch-Institut Anfang Juni bereits für rund 20 Prozent der untersuchten Infektionen verantwortlich. Angesichts der engen Verbindungen zwischen den Ländern ist davon auszugehen, dass die Variante auch in der Schweiz bereits angekommen ist. Volker Thiel von der Universität Bern rechnet damit, dass die Variante “sehr wahrscheinlich auch bald hier sein wird”, da sie bereits sporadisch in Nachbarländern beobachtet wurde.

Richard Neher ergänzt: “Dieser Trend wird sich vermutlich fortsetzen.” Allerdings warnen beide Experten vor Panikmache. “Ich gehe davon aus, dass die Fallzahlen im Sommer nicht so hoch werden”, so Thiel. Eine Pandemiewelle wie 2020 erwarten die Virologen nicht. Dies bedeute aber nicht, dass vulnerable Gruppen sich entspannt zurücklehnen können.

Symptome und wissenschaftliche Einordnung

In sozialen Netzwerken häufen sich Berichte über besonders schwere Symptome. Medien berichten von “rasierklingenartigen Halsschmerzen” und extremer Erschöpfung. Die oft geschilderten extremen Halsschmerzen lassen sich laut den Schweizer Virologen jedoch nicht eindeutig auf «Nimbus» zurückführen. “Ohne detaillierte Studien lässt sich das nicht sagen – diese werden aber kaum noch gemacht”, erklärt Volker Thiel.

Auch Richard Neher hat keine Hinweise darauf, dass sich die Symptome wesentlich von früheren Corona-Varianten unterscheiden. Laut WHO gibt es ebenfalls keine Belege dafür, dass «Nimbus» schwerere Verläufe verursacht als andere Varianten. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Variante harmlos ist – besonders nicht für Menschen, die bereits gesundheitlich angeschlagen sind.

Das Problem liegt weniger in der Schwere der neuen Variante als vielmehr darin, dass jede Corona-Infektion für bestimmte Personengruppen erhebliche Risiken birgt. Für Menschen mit Long COVID oder ME/CFS kann selbst eine “milde” Infektion katastrophale Folgen haben, da ihr Immunsystem und ihre Energieressourcen bereits stark beansprucht sind.

Besondere Risiken für vulnerable Gruppen

Für Menschen, die bereits unter Long COVID oder ME/CFS leiden, birgt jede neue Corona-Infektion besondere Risiken. Eine Reinfektion kann zu einer deutlichen Verschlimmerung der bereits vorhandenen Fatigue, kognitiven Probleme und anderen Long COVID-Symptome führen. Bei bereits geschwächten Patienten kann eine neue Infektion den Heilungsprozess um Monate oder Jahre zurückwerfen. Jede neue Infektion kann außerdem weitere Körpersysteme schädigen und das Spektrum der Symptome erweitern.

Menschen mit geschwächtem Immunsystem – sei es durch Medikamente, Krebstherapien oder chronische Erkrankungen – haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe. Bei ihnen können auch vermeintlich “mildere” Varianten zu ernsten Komplikationen führen. Obwohl die Grundimmunität in der Bevölkerung inzwischen hoch ist, bleiben ältere Menschen und Personen mit Vorerkrankungen besonders gefährdet. Für sie kann auch eine “harmlose” Sommerwelle ernste Folgen haben.

Die Herausforderung besteht darin, dass diese Risikogruppen oft nicht sichtbar sind. Ein junger Mensch mit Long COVID oder ME/CFS sieht von außen gesund aus, kann aber durch eine Reinfektion monatelang bettlägerig werden. Diese “unsichtbare” Vulnerabilität macht es schwer, angemessene Schutzmaßnahmen zu kommunizieren und umzusetzen.

Schutzmaßnahmen und praktische Empfehlungen

“Sofern eine Infektion oder Impfung schon länger zurückliegt, ist eine Impfung denkbar”, rät Volker Thiel. Besonders wichtig ist dies für vulnerable Gruppen. Die Entscheidung sollte individuell mit einer Ärztin oder einem Arzt besprochen werden. Für Long COVID-Betroffene und ME/CFS-Patienten ist eine aktuelle Impfung besonders wichtig, da ihr Immunsystem möglicherweise nicht optimal funktioniert.

Auch wenn keine offiziellen Maskenpflichten bestehen, ist das Tragen von Masken in Innenräumen und bei Menschenansammlungen für vulnerable Gruppen wieder sinnvoll. Hochwertige FFP2-Masken bieten den besten Schutz. Vulnerable Personen sollten ihre sozialen Aktivitäten der aktuellen Lage anpassen. Das bedeutet nicht komplette Isolation, aber eine bewusste Risikoabwägung bei größeren Veranstaltungen oder Reisen.

Bei ersten Anzeichen einer Erkrankung sollten sich besonders gefährdete Personen sofort testen lassen und gegebenenfalls ärztliche Hilfe suchen. Frühe Behandlung kann schwere Verläufe verhindern. Wichtig ist auch, sich über antivirale Medikamente zu informieren, die im Frühstadium einer Infektion helfen können. Diese sind zwar nicht für alle verfügbar, können aber bei Hochrisikopatienten den Verlauf deutlich mildern.

Reisen und Sommerferien

Bezüglich Sommerferienpläne sieht Richard Neher momentan keinen Grund zur Sorge: “Aktuell muss nichts Spezielles beachtet werden – auch bestimmte Regionen zu meiden, halte ich nicht für nötig.” Die Einschätzung der Situation in anderen Ländern sei jedoch schwierig, da viele Regionen keine routinemäßigen Sequenzierungen mehr durchführen, erklärt Volker Thiel.

Für Menschen mit Long COVID, ME/CFS oder anderen chronischen Erkrankungen gelten jedoch besondere Überlegungen. Reiseziele sollten bewusst gewählt werden – Länder mit steigenden Fallzahlen oder schlechter Gesundheitsversorgung sollten gemieden werden. Vor Reiseantritt sollte geklärt werden, wie im Krankheitsfall die medizinische Betreuung organisiert wird. Ein Notfallplan ist essentiell: Was passiert, wenn man im Ausland erkrankt und nicht reisefähig ist? Auch der Versicherungsschutz sollte geprüft werden – deckt die Krankenversicherung auch COVID-bedingte Behandlungen im Ausland ab?

Diese Überlegungen mögen übertrieben erscheinen, sind aber für Menschen mit chronischen Erkrankungen überlebenswichtig. Eine COVID-Infektion im Ausland, ohne Zugang zu den gewohnten Ärzten und Medikamenten, kann für Long COVID-Patienten zur existenziellen Bedrohung werden.

Leben mit wiederkehrenden Varianten

“Es wird auch in Zukunft immer wieder neue Corona-Varianten geben”, prognostiziert Volker Thiel. Das bedeutet, dass vulnerable Gruppen sich auf ein Leben mit wiederkehrenden Wellen einstellen müssen. Wer sich wie am besten schützen soll, muss individuell mit einer Fachperson abgesprochen werden. Pauschale Empfehlungen greifen bei der Vielfalt der Risikogruppen zu kurz.

Auch wenn die breite Gesellschaft COVID-19 als überwunden betrachtet, bleiben vulnerable Gruppen auf den Schutz und die Rücksichtnahme ihrer Mitmenschen angewiesen. Das Tragen von Masken bei Symptomen oder in sensiblen Umgebungen ist ein Akt der Solidarität. Kleine Rücksichtnahmen können für chronisch kranke Menschen den Unterschied zwischen Teilhabe und Isolation bedeuten.

Die Realität ist, dass COVID-19 für einen Teil der Bevölkerung eine dauerhafte Bedrohung bleibt. Diese Menschen brauchen nicht nur medizinische Unterstützung, sondern auch gesellschaftliches Verständnis für ihre anhaltende Vorsicht. Wenn ein Long COVID-Patient weiterhin Masken trägt oder soziale Distanz hält, ist das keine Paranoia, sondern ein rational begründeter Selbstschutz.

Was das für dich bedeutet

Wenn du Long COVID oder ME/CFS hast, solltest du dich über deinen Impfstatus beraten lassen, in Innenräumen und bei Menschenansammlungen eine Maske tragen, dich bei ersten Symptomen sofort testen und dich über antivirale Medikamente informieren, die im Frühstadium helfen können. Plane Aktivitäten und Reisen mit erhöhter Vorsicht und entwickle Notfallpläne für verschiedene Szenarien.

Wenn du Angehörige oder Freunde mit chronischen Erkrankungen hast, teste dich vor Besuchen, trage eine Maske wenn du Symptome hast, respektiere wenn vulnerable Personen Schutzmaßnahmen treffen und informiere dich über die besonderen Risiken, denen sie ausgesetzt sind. Selbst wenn du gesund bist, vergiss nicht, dass die Pandemie für viele Menschen noch nicht vorbei ist. Kleine Rücksichtnahmen können große Unterschiede machen.

Fazit

Die neue Corona-Variante «Nimbus» ist kein Grund zur Panik, aber ein Grund zur Wachsamkeit – besonders für Menschen mit chronischen Erkrankungen oder geschwächtem Immunsystem. Während die Gesamtbevölkerung wahrscheinlich keine schweren Verläufe zu befürchten hat, bleiben vulnerable Gruppen besonders gefährdet.

Die Experten sind sich einig: Eine neue Pandemiewelle ist unwahrscheinlich, aber ein moderater Anstieg der Fallzahlen ist zu erwarten. Für Long COVID-Betroffene, ME/CFS-Patienten und andere vulnerable Gruppen bedeutet das: individuelle Schutzmaßnahmen überdenken, Impfstatus überprüfen und bei Symptomen schnell handeln.

Die Botschaft ist klar: COVID-19 ist noch nicht vorbei, auch wenn es für viele so scheint. Vulnerable Menschen sind weiterhin auf Schutz, Rücksichtnahme und medizinische Vorsorge angewiesen. Eine erneute Infektion könnte für sie schwerwiegende Folgen haben – auch mit einer vermeintlich “milderen” Variante wie «Nimbus». In einer Gesellschaft, die weitgehend zur Normalität zurückgekehrt ist, dürfen wir diese Menschen nicht vergessen oder im Stich lassen.


Du lebst mit Long COVID oder ME/CFS und machst dir Sorgen wegen der neuen Variante? Bei “Ich bin kein Einzelfall” findest du Menschen, die deine Ängste verstehen und mit denen du dich über Schutzstrategien austauschen kannst. Informiere dich über unsere Mitgliedschaftsoptionen oder stöbere in unserer Sammlung von Informationen zu COVID-19 und Long COVID.

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