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In einem bewegenden Vortrag deckt ein renommierter Kinderarzt die dramatische Versorgungslage von ME/CFS-Erkrankten auf und fordert dringendes Handeln von der Politik. Ein schonungsloser Einblick in die Realität hunderttausender vergessener Patienten.
- Die unsichtbare Erkrankung: Wenn Ärzte ratlos sind
- Eine häufige Erkrankung im blinden Fleck der Medizin
- Was ist ME/CFS? Mehr als nur Erschöpfung
- Die katastrophale Versorgungslage: Ein System, das Betroffene im Stich lässt
- Die Parallele zu Long COVID: Eine wachsende Krise
- Die täglichen Herausforderungen: Leben mit ME/CFS
- Warum ME/CFS so schwer zu verstehen ist: Die Besonderheiten der Erkrankung
- Handeln statt Versprechen
- Gemeinsam stärker: Die Bedeutung von Community und Selbsthilfe
- Im Fokus steht wiedermal das Gesundheitssystem
Die unsichtbare Erkrankung: Wenn Ärzte ratlos sind
Stellen Sie sich vor: Sie erkranken plötzlich schwer, aus heiterem Himmel. Die Symptome sind vielfältig und so einschränkend, dass Sie Ihren Alltag nicht mehr bewältigen können. Oder Ihr Kind kann nicht mehr oder nur eingeschränkt zur Schule gehen. Sie tun das Naheliegende – Sie gehen zum Arzt, schildern Ihre Beschwerden, lassen sich untersuchen. Doch der Arzt findet keine Diagnose. Sie gehen unverrichteter Dinge wieder nach Hause, schwer erkrankt, aber ohne Antworten.
So beginnt Professor Dr. Gerner seinen eindringlichen Vortrag über ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom), eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die in Deutschland etwa 500.000 Menschen betrifft, aber in der medizinischen Ausbildung praktisch nicht vorkommt.
Was folgt, ist für viele Betroffene ein typischer Verlauf: Sie recherchieren selbst, klappen zu Hause das Laptop auf, suchen in Foren und sozialen Netzwerken – und finden plötzlich andere Menschen mit genau den gleichen Symptomen und ähnlichen Geschichten. “Das ist wie ein ganz besonderes Erlebnis”, beschreibt Gerner diesen Moment der Erkenntnis. “Sie haben das Gefühl: Okay, jetzt habe ich verstanden, was ich habe. Ich habe eine Diagnose, ich habe ME/CFS.”
Mit dieser neu gewonnenen Erkenntnis gehen sie zurück zu ihrem Arzt – und treffen auf Schulterzucken. “Kenne ich nicht. Die Erkrankung kann so irgendwie nicht stimmen.” Genau das ist die Geschichte der allermeisten Patientinnen und Patienten mit ME/CFS, erklärt Gerner. “Ärztinnen und Ärzte kennen diese Erkrankung nicht.”
Eine häufige Erkrankung im blinden Fleck der Medizin
Die Tragik dieser Situation liegt in der Diskrepanz zwischen der Häufigkeit und Schwere der Erkrankung einerseits und ihrer mangelnden Bekanntheit in medizinischen Kreisen andererseits. ME/CFS ist keine seltene Diagnose, kein “Kolibri”, wie Mediziner es nennen würden. In Deutschland sind mindestens 500.000 Menschen an dieser Erkrankung erkrankt – eine halbe Million Menschen.
Prof. Dr. Gerner, der seit über 20 Jahren als Kinderarzt tätig ist, tausende Fortbildungen besucht und viel liest, gibt zu: “Ich kannte diese Erkrankung bis vor zwei Jahren nicht.” Noch erschütternder ist seine Beobachtung: “Ich kenne keinen Kollegen, keinen einzigen Kollegen, der diese Erkrankung von sich aus kannte. Wir alle lernen diese Erkrankung nur über unsere Patientinnen und Patienten kennen.”
Der Grund für dieses systematische Unwissen liegt in der medizinischen Ausbildung: “Diese Erkrankung wird nicht im Medizinstudium gelehrt, obwohl sie seit über 50 Jahren von der Weltgesundheitsorganisation anerkannt ist. Das ist nichts Ausgedachtes, das steht offiziell in den Büchern. Aber kein Mediziner in Deutschland kennt diese Erkrankung.”
Diese Wissenslücke hat verheerende Folgen für die Betroffenen, die oft jahrelang ohne Diagnose bleiben, von Arzt zu Arzt geschickt werden oder – noch schlimmer – eine Fehldiagnose erhalten und falsch behandelt werden.
Was ist ME/CFS? Mehr als nur Erschöpfung
Um zu verstehen, warum ME/CFS so schwerwiegend ist, muss man zunächst die Symptomatik verstehen. Der Begriff “Fatigue” führt oft in die Irre, da er mit alltäglicher Müdigkeit verwechselt wird. Doch Gerner stellt klar: “Jeder von uns ist abends müde, ist erschöpft, fühlt sich erschöpft. Das ist nicht Fatigue.”
Fatigue bei ME/CFS bedeutet, dass man sich nicht mehr erholen kann. “Der Akku ist leer, und er ist nicht nur leer oder fast leer, wenn man nicht ganz so schwer betroffen ist, sondern der Akku ist kaputt”, erklärt Gerner anschaulich. “Normalerweise würde man einfach das Handy in die Ladebuchse stecken, und am nächsten Morgen ist es wieder voll. Oder wenn wir uns abends müde fühlen, dann legen wir uns ins Bett, schlafen schön, und dann ist der Akku morgens wieder gefüllt. Bei ME/CFS ist der Akku leer oder fast leer und lässt sich nicht mehr oder nur ganz, ganz, ganz langsam laden. Das ist Erschöpfung, das ist Fatigue.”
Doch ME/CFS umfasst weit mehr als diese lähmende Erschöpfung. Betroffene leiden unter einer Vielzahl schwerer Symptome:
- Schmerzen in Gelenken und Gliedern
- Starke Kopfschmerzen
- Blutdruckprobleme und Kreislaufstörungen
- Wahrnehmungs- und Konzentrationsstörungen
- Starke Reizintoleranz gegenüber Licht, Geräuschen und Gerüchen
Besonders das letzte Symptom, die extreme Reizintoleranz, macht ME/CFS zu einer so außergewöhnlichen und schweren Erkrankung. “Diese Erkrankung ist so grausam, dass selbst Reize, die wir hier alle aufnehmen, zu viel sind”, erklärt Gerner. Licht, Gerüche, Lautstärke – all das wird kaum noch vertragen.
In der schweren Form von ME/CFS liegen die Patientinnen und Patienten zu Hause in einem abgedunkelten Raum, vor Lärm geschützt. “Und was ich ganz besonders grausam finde”, fügt Gerner hinzu, “in der schwersten Form ertragen diese Menschen noch nicht einmal mehr Berührung.” Er bittet die Zuhörer, sich das vorzustellen: “Sie sind Mama oder Papa, und Ihre Tochter oder Ihr Sohn erträgt es kaum, angefasst zu werden. Oder Ihr Partner erträgt es kaum, angefasst zu werden. Ganz ehrlich, ich kenne kaum eine schlimmere Erkrankung als ME/CFS, und ich kenne wirklich sehr, sehr viele schlimme Erkrankungen.”
Diese Beschreibung verdeutlicht, warum ME/CFS zu den schwersten bekannten chronischen Erkrankungen zählt. Studien zeigen, dass die Lebensqualität von schwer betroffenen ME/CFS-Patienten niedriger ist als bei vielen anderen chronischen Erkrankungen, einschließlich multipler Sklerose, Krebs im fortgeschrittenen Stadium oder nach Schlaganfall.
Die katastrophale Versorgungslage: Ein System, das Betroffene im Stich lässt
Nach der Diagnose würde man in unserem Gesundheitssystem normalerweise erwarten, dass der Hausarzt an einen Spezialisten überweist – so wie es bei anderen schweren Erkrankungen üblich ist. “Wenn Sie eine schwere Herzerkrankung haben, bleiben Sie auch nicht beim Hausarzt, dann gehen Sie zum Kardiologen. Wenn Sie eine schwere Nierenerkrankung haben, dann gehen Sie zum Nierenfacharzt”, vergleicht Gerner.
Doch bei ME/CFS gibt es diese Spezialisten praktisch nicht. “Ich würde mal sagen, in Baden-Württemberg gibt es kaum ein Dutzend dieser Spezialisten. Kaum ein Dutzend für in Baden-Württemberg gut 60.000, in ganz Deutschland gut 500.000 Erkrankte.”
Diese Unterversorgung ist beispiellos. “Ich kenne keine Erkrankung, die so schlecht versorgt ist”, betont Gerner. “Die medizinische Versorgung von Menschen mit ME/CFS ist nicht nur schlecht, sie ist wirklich katastrophal. Man kann es nicht anders nennen.”
Seit er die Erkrankung vor knapp zwei Jahren kennengelernt hat, hat Gerner sich engagiert. Er war mit einer Delegation des Landtags von Baden-Württemberg in Berlin, hat an Anhörungen teilgenommen und mit Politikern gesprochen. Sein ernüchterndes Fazit: “In diesen zwei Jahren hat sich fast nichts getan. Obwohl der politische Wille da ist, ist bei den Patienten fast nichts angekommen.”
Es gibt zwar einige wenige kleine Spezialambulanzen an Universitätskliniken, doch diese sind vollkommen überlaufen und können nur sehr wenig anbieten. “Es gibt keine einzige stationäre Behandlungsmöglichkeit”, erklärt Gerner. Dies ist besonders problematisch, da ME/CFS-Patienten in regulären Krankenhäusern oft nicht adäquat versorgt werden können. “Ein Patient mit ME/CFS würde das nicht ertragen – die Lautstärke, das Licht, die ganzen Reize in einem Krankenhaus. Da gibt’s viele Beispiele, dass die Patienten schlechter nach Hause gegangen sind, als sie gekommen sind.”
Selbst für die Schwerbetroffenen, die ihr Zuhause nicht mehr verlassen können, gibt es kaum medizinische Hilfe. “Es gibt praktisch keine Ärztinnen und Ärzte, die zu den schwerst Betroffenen nach Hause gehen. Vielleicht findet man einen Hausarzt, der ab und zu mal vorbeikommt, aber der ist nicht spezialisiert, der ist überfordert, der ist im Grunde vollkommen überfordert.”
Diese Erfahrung teilen viele Betroffene, wie die persönlichen Geschichten auf unserer Webseite zeigen. Sie berichten von einem zermürbenden Kampf um medizinische Versorgung, Anerkennung und Unterstützung im Alltag.
Die Parallele zu Long COVID: Eine wachsende Krise
Die Problematik von ME/CFS hat durch die COVID-19-Pandemie eine neue Dimension erhalten. Studien zeigen, dass etwa 1 von 22 COVID-19-Betroffenen ME/CFS-ähnliche Symptome entwickelt. Die Parallelen zwischen ME/CFS und Long COVID sind so deutlich, dass viele Experten Long COVID als einen Auslöser für ME/CFS betrachten.
Diese Entwicklung hat zwei Seiten: Einerseits hat sie zu mehr Aufmerksamkeit für ME/CFS geführt, andererseits hat sie ein ohnehin überlastetes Versorgungssystem noch stärker unter Druck gesetzt. Die wenigen spezialisierten Einrichtungen müssen nun noch mehr Patienten mit noch weniger Ressourcen versorgen.
Gleichzeitig bietet die neue Aufmerksamkeit für Post-virale Erkrankungen auch eine Chance. Die Forschungsgelder für Long COVID könnten indirekt auch ME/CFS-Patienten zugutekommen, da ähnliche Mechanismen erforscht werden. Neue Behandlungsansätze könnten für beide Patientengruppen relevant sein.
Für viele Menschen mit Long COVID ist der Austausch mit der etablierten ME/CFS-Community eine wertvolle Unterstützung. Sie profitieren von den Erfahrungen und dem Wissen, das ME/CFS-Betroffene über Jahrzehnte gesammelt haben – etwa zu Pacing-Strategien, die helfen können, mit der begrenzten Energie hauszuhalten.
Die täglichen Herausforderungen: Leben mit ME/CFS
Um die Realität von ME/CFS-Betroffenen zu verstehen, ist es wichtig, ihren Alltag zu betrachten. Je nach Schweregrad gestaltet sich das Leben mit ME/CFS unterschiedlich, aber selbst milde Betroffene sind stark eingeschränkt.
Bei mildem ME/CFS können Betroffene vielleicht noch einige Stunden pro Woche arbeiten, müssen aber strikt auf ihre Energiereserven achten und viel Zeit zur Erholung einplanen. Aktivitäten, die für Gesunde selbstverständlich sind – wie Einkaufen, Kochen oder soziale Kontakte – müssen sorgfältig geplant und oft eingeschränkt werden.
Bei moderatem ME/CFS ist eine Berufstätigkeit meist nicht mehr möglich. Betroffene können ihr Haus nur noch selten verlassen und sind bei alltäglichen Aufgaben auf Unterstützung angewiesen. Selbst kleine Anstrengungen wie Duschen oder eine kurze Unterhaltung können zu einer deutlichen Verschlechterung führen, die Tage anhält.
Schweres ME/CFS bedeutet, an das Haus oder sogar ans Bett gebunden zu sein. Betroffene sind vollständig auf Pflege angewiesen, können oft kein normales Licht ertragen, keine normalen Gespräche führen und keine Medien konsumieren. In den schwersten Fällen müssen sie künstlich ernährt werden und können nicht einmal mehr sprechen.
Diese Einschränkungen betreffen nicht nur körperliche Aktivitäten, sondern auch soziale Teilhabe, berufliche Entwicklung und finanzielle Sicherheit. Viele Betroffene verlieren ihren Job, ihre finanziellen Rücklagen und im schlimmsten Fall sogar ihre Wohnung. Die sozialen Sicherungssysteme sind auf diese Form von Erkrankung nicht eingestellt, sodass Betroffene oft durch das Raster fallen.
Warum ME/CFS so schwer zu verstehen ist: Die Besonderheiten der Erkrankung
Die Komplexität von ME/CFS macht es für Außenstehende – auch für Mediziner – oft schwer, die Erkrankung zu verstehen und einzuordnen. Mehrere Faktoren tragen dazu bei:
- Die Unsichtbarkeit der Symptome: Viele Symptome wie Fatigue, Schmerzen oder kognitive Einschränkungen sind von außen nicht sichtbar. Betroffene sehen oft “gesund” aus, was zu Missverständnissen führt.
- Die Fluktuation der Symptome: Die Symptome können von Tag zu Tag oder sogar innerhalb eines Tages stark schwanken, was den Eindruck erwecken kann, die Beschwerden seien nicht “real”.
- Die Post-Exertional Malaise (PEM): Dieses Kernmerkmal von ME/CFS – die Verschlechterung nach Belastung, oft mit Verzögerung von 24-72 Stunden – ist für Gesunde schwer nachvollziehbar und widerspricht der üblichen medizinischen Empfehlung, sich bei Krankheit zu aktivieren.
- Das Fehlen eindeutiger Biomarker: Obwohl die Forschung zunehmend körperliche Abnormalitäten bei ME/CFS identifiziert, gibt es noch keinen einfachen Bluttest oder andere Standarduntersuchungen, die die Diagnose eindeutig bestätigen könnten.
- Die fachübergreifende Natur: ME/CFS betrifft multiple Körpersysteme (Immunsystem, Nervensystem, Energiestoffwechsel, etc.), was es schwierig macht, die Erkrankung einem bestimmten medizinischen Fachgebiet zuzuordnen.
Diese Faktoren führen dazu, dass ME/CFS oft fehlinterpretiert, bagatellisiert oder psychologisiert wird. Betroffene werden nicht selten als Hypochonder bezeichnet oder erhalten die Empfehlung, sie sollten sich einfach mehr bewegen oder positiver denken – Ratschläge, die die Erkrankung tatsächlich verschlimmern können.
Handeln statt Versprechen
Gegen Ende seines Vortrags richtet Prof. Dr. Gerner einen eindringlichen Appell an die Politik. Er berichtet von seinen Erfahrungen im Austausch mit politischen Entscheidungsträgern, sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene. Zwar nehme er einen grundsätzlichen Willen wahr, die Situation zu verbessern, doch aus Patientensicht sei bisher “fast nichts angekommen”.
“Deswegen geht meine dringende Bitte an die Politik, an die Entscheidungsträger in Baden-Württemberg und in der ganzen Bundesrepublik: Handeln Sie endlich! Handeln Sie konkret! Kürzen Sie die Prozesse ab und bringen Sie endlich die Hilfe an die Patientin und an den Patienten.”
Dieser Appell verdeutlicht die Dringlichkeit der Situation. Während politische Prozesse oft langsam sind und Veränderungen Zeit brauchen, leiden ME/CFS-Betroffene jeden Tag unter ihrer Erkrankung und dem Mangel an angemessener Versorgung. Jeder Tag ohne konkrete Verbesserungen bedeutet für sie weiteres Leid, weitere Einschränkungen und weitere verpasste Lebensmöglichkeiten.
Was wäre also konkret zu tun? Basierend auf Gerners Ausführungen und den Forderungen von Patientenorganisationen könnten folgende Maßnahmen die Situation verbessern:
- Ausbildung von Ärzten: ME/CFS muss fester Bestandteil des Medizinstudiums und der ärztlichen Fortbildung werden.
- Aufbau von Versorgungsstrukturen: Spezialambulanzen in jedem Bundesland, mobile Dienste für schwer Betroffene, stationäre Behandlungsmöglichkeiten mit ME/CFS-gerechten Bedingungen.
- Forschungsförderung: Deutliche Erhöhung der Mittel für die ME/CFS-Forschung, um Diagnostik und Therapien zu verbessern.
- Anpassung der Sozialversicherungssysteme: Anerkennung von ME/CFS als schwere körperliche Erkrankung in allen Sozialversicherungszweigen, vereinfachte Verfahren, speziell geschulte Gutachter.
- Öffentlichkeitsarbeit: Aufklärungskampagnen, um das Bewusstsein für ME/CFS in der Allgemeinbevölkerung zu schärfen.
Gemeinsam stärker: Die Bedeutung von Community und Selbsthilfe
In der Zwischenzeit sind Betroffene oft auf gegenseitige Unterstützung und Selbsthilfe angewiesen. Unsere Community bietet einen Ort des Austauschs, der Information und der gegenseitigen Stärkung. Hier können Betroffene und Angehörige Erfahrungen teilen, praktische Tipps austauschen und emotionale Unterstützung finden.
Diese Form der Selbsthilfe kann die fehlende professionelle Versorgung zwar nicht ersetzen, aber sie kann helfen, die Isolation zu durchbrechen und mit den täglichen Herausforderungen besser umzugehen. Viele Betroffene berichten, dass der Kontakt zu anderen in ähnlicher Situation ihnen geholfen hat, ihre eigene Erkrankung besser zu verstehen und zu akzeptieren.
Zudem können Betroffenen-Netzwerke auch politischen Druck ausüben und Öffentlichkeitsarbeit leisten. Je mehr Menschen über ME/CFS sprechen, je mehr Geschichten geteilt werden, desto schwieriger wird es, die Erkrankung und die betroffenen Menschen zu ignorieren.
Im Fokus steht wiedermal das Gesundheitssystem
Der Vortrag von Prof. Dr. Gerner ist ein eindringlicher Weckruf. Er zeigt, dass selbst in einem hochentwickelten Gesundheitssystem wie dem deutschen schwerwiegende Versorgungslücken existieren können – Lücken, die für die Betroffenen katastrophale Folgen haben.
ME/CFS ist eine schwere, lebensverändernde Erkrankung, die Hunderttausende betrifft und dennoch im medizinischen Ausbildungs- und Versorgungssystem kaum vorkommt. Diese Diskrepanz muss dringend überwunden werden, um den Betroffenen ein würdevolles Leben mit angemessener medizinischer Versorgung zu ermöglichen.
Die Herausforderung ist groß, doch sie ist nicht unlösbar. Mit politischem Willen, ausreichenden Ressourcen und dem Engagement aller Beteiligten – von Ärzten über Forschende bis hin zu Patientenorganisationen – kann die Situation verbessert werden. Der erste Schritt ist, die Realität von ME/CFS anzuerkennen und die Stimmen der Betroffenen ernst zu nehmen.
Wenn du selbst von ME/CFS oder Long COVID betroffen bist oder jemanden kennst, der betroffen ist, findest du in unserer Community Unterstützung und Informationen. Denn eines ist sicher: Du bist kein Einzelfall.
Hinweis: Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag von Prof. Dr. Gerner. Die Aussagen wurden nach bestem Wissen und Gewissen wiedergegeben. Für medizinische Beratung wenden Sie sich bitte an qualifiziertes medizinisches Fachpersonal.