
Quelle: 20min.ch
Das jüngste Familienbarometer 2025 von Pro Familia und Pax zeichnet ein beunruhigendes Bild: Über die Hälfte der Schweizer Familien kommt finanziell nur knapp oder gar nicht über die Runden. 47 Prozent geben an, dass ihr Einkommen nur knapp reicht, weitere sieben Prozent sagen sogar, dass es nicht ausreicht. Steigende Krankenkassenprämien (45 Prozent), explodierende Lebenshaltungskosten (39 Prozent) und hohe Mieten setzen viele Haushalte unter enormen Druck.
Bei Ich bin kein Einzelfall erleben wir, wie sich diese allgemeine finanzielle Belastung für Menschen mit Long COVID noch dramatisch verschärft. Wenn zur gesundheitlichen Einschränkung noch existenzielle finanzielle Sorgen hinzukommen, wird der Alltag zur kaum überwindbaren Herausforderung.
- "Ferien liegen nicht drin" – Wenn jeder Franken zählt
- Zwischen Krankheit und Behördendschungel: Der Kampf um IV-Anerkennung
- Sozialhilfe als letztes Netz – mit Hürden
- Nicht nur Finanzen: Die Sorgen um die Zukunft
- Praktische Strategien für den Umgang mit finanziellen Herausforderungen
- Was muss sich ändern? Forderungen für eine bessere Unterstützung
- Die Kraft der Gemeinschaft in schwierigen Zeiten
“Ferien liegen nicht drin” – Wenn jeder Franken zählt
Die Geschichte von Musa (37) aus Pratteln BL, die im Familienbarometer berichtet wird, spiegelt wider, was viele Betroffene erleben: “Als ich noch gearbeitet habe, hat das Geld für meine Familie schon nur knapp ausgereicht,” erzählt der Vater von zwei Jungen (10 und 7). Nachdem seine KV-Stelle im Dezember auslief, wurde die Situation noch prekärer. “Ferien können wir uns keine leisten und Skifahren liegt auch nicht drin.”
An Ausflüge, etwa in ein Museum, ist für Musas Familie an Wochenenden nicht zu denken. “Meine Kinder können nur draussen Fussball spielen gehen, weil das nichts kostet. Doch das wird ihnen irgendwann auch langweilig.” Es schmerzt ihn besonders, seine Kinder enttäuschen zu müssen, weil die Familie sich nichts leisten kann.
Für Menschen mit Long COVID verschärft sich diese Situation noch weiter. Neben dem Einkommensverlust durch Arbeitsunfähigkeit oder Stellenverlust kommen oft erhöhte medizinische Ausgaben hinzu – für Behandlungen, die nicht vollständig von der Grundversicherung abgedeckt werden, für Medikamente und Therapien.
Wenn du ähnliche Herausforderungen erlebst, kontaktiere uns – du bist mit diesen Problemen nicht allein.
Zwischen Krankheit und Behördendschungel: Der Kampf um IV-Anerkennung
Die Invalidenversicherung (IV) sollte eigentlich ein Sicherheitsnetz für Menschen bieten, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können. Doch für Long-COVID-Betroffene gestaltet sich der Weg zur Anerkennung oft als zermürbender Hürdenlauf.
Die typischen Hürden für Long-COVID-Betroffene im IV-Verfahren gleichen dem, was viele chronisch Kranke erleben:
- Fehlende Anerkennung: Long COVID wird von vielen Gutachtern noch immer nicht als “echte” Erkrankung mit langfristigen Folgen anerkannt
- Beweislast: Die diffusen Symptome wie Fatigue, Gehirnnebel oder chronische Schmerzen sind schwer objektiv nachweisbar
- Lange Wartezeiten: IV-Entscheide dauern oft über ein Jahr – Zeit, in der Betroffene finanziell in der Luft hängen
- Widersprüchliche Gutachten: Was ein Arzt diagnostiziert, wird vom nächsten in Frage gestellt
Gerade in der Phase, in der die gesundheitliche Belastung am größten ist, müssen Betroffene einen Kraftakt leisten, um ihre Ansprüche durchzusetzen – ein Prozess, der selbst für Gesunde belastend wäre.
Bei Ich bin kein Einzelfall unterstützen wir uns gegenseitig mit Erfahrungen und praktischen Tipps für den Umgang mit Behörden und Versicherungen. Unsere Mitgliedschaftsoptionen bieten dir Zugang zu wertvollen Ressourcen und einer verständnisvollen Gemeinschaft.
Sozialhilfe als letztes Netz – mit Hürden
Wenn weder Krankentaggeld noch IV-Leistungen greifen, bleibt für viele Betroffene nur der Gang zum Sozialamt. Doch auch hier gibt es erhebliche Hürden:
- Vermögenswerte müssen weitgehend aufgebraucht sein
- Partner*innen werden finanziell in die Pflicht genommen
- Die Bürokratie ist komplex und kräftezehrend
- Die Leistungen decken oft nur das absolute Minimum
Für Menschen mit Long COVID, die zuvor im Berufsleben standen und plötzlich auf Sozialhilfe angewiesen sind, bedeutet dies nicht nur finanzielle Einschränkungen, sondern oft auch eine tiefe psychische Belastung.
Laut dem Familienbarometer 2025 verzichten Familien aus Kostengründen vor allem auf Ferien (73%), Restaurantbesuche (70%) und Freizeitaktivitäten (51%). Fast ein Drittel spart sogar bei Arztbesuchen – ein alarmierender Trend, der die Gesundheit weiter gefährden kann.
Nicht nur Finanzen: Die Sorgen um die Zukunft
Die finanziellen Sorgen sind nur ein Aspekt dessen, was Familien und insbesondere Long-COVID-Betroffene belastet. Wie Dominique (38) aus Gelterkinden BL im Familienbarometer berichtet, macht ihr vor allem die zunehmende Unsicherheit in der Welt Sorgen.
Die Mutter von zwei kleinen Töchtern (3 Jahre und 5 Monate) beschäftigt vor allem die zunehmende Gewalt: “Wenn ich an die Zukunft denke, frage ich mich, ob ich meine Mädchen mit 16 einfach alleine ausgehen lassen kann.” Auch der Umgang mit sozialen Medien und der Leistungsdruck in der Schule bereiten ihr Sorgen.
Für Long-COVID-Betroffene kommen zu diesen allgemeinen Sorgen noch existenzielle Zukunftsängste hinzu: Werde ich jemals wieder arbeiten können? Wie entwickelt sich meine Erkrankung? Kann ich meine Familie finanziell absichern?
Diese Unsicherheit belastet nicht nur die Betroffenen selbst, sondern das gesamte Familiensystem.
Praktische Strategien für den Umgang mit finanziellen Herausforderungen
Trotz aller Widrigkeiten gibt es praktische Ansätze, um die finanziellen Herausforderungen zu bewältigen:
Hilfreiche Strategien für Long-COVID-Betroffene:
- Frühzeitige Beratung suchen: Viele Sozialversicherungen haben Fristen – je früher man sich informiert, desto besser
- Rechtsberatung nutzen: Patientenorganisationen bieten oft kostenlose Erstberatungen an
- Prämienverbilligung beantragen: In allen Kantonen existieren Programme zur Reduktion der Krankenkassenprämien
- Teilzeitmodelle prüfen: Wenn möglich, mit Arbeitgebern flexible Lösungen aushandeln
- Netzwerke aktivieren: Familienangehörige, Freunde und Bekannte können nicht nur emotional, sondern auch praktisch unterstützen
Bei Ich bin kein Einzelfall teilen wir solche Erfahrungen und lernen voneinander. Entdecke die vielen Vorteile unserer Gemeinschaft und finde heraus, wie du von unserem kollektiven Wissen profitieren kannst.
Was muss sich ändern? Forderungen für eine bessere Unterstützung
Während individuelle Strategien kurzfristig helfen können, braucht es für die wachsende Zahl von Long-COVID-Betroffenen auch systemische Lösungen:
Was wir als Gesellschaft benötigen:
- Anerkennung von Long COVID als eigenständiges Krankheitsbild durch Sozialversicherungen
- Beschleunigte IV-Verfahren für Betroffene mit klaren Diagnosekriterien
- Überbrückungshilfen für die Zeit bis zu IV-Entscheiden
- Spezifische Unterstützungsprogramme für Familien mit Long-COVID-Betroffenen
- Aufklärung von Arbeitgebern über angepasste Arbeitsmodelle
Diese Forderungen decken sich teilweise mit den Ergebnissen des Familienbarometers: Bei den familienpolitischen Forderungen steht die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit 29 Prozent an dritter Stelle. Wichtiger sind für die Befragten nur die Senkung der Krankenkassenprämien und die allgemeine finanzielle Unterstützung für Familien.
Die Kraft der Gemeinschaft in schwierigen Zeiten
In finanziell und gesundheitlich herausfordernden Zeiten wird eines besonders deutlich: Der Wert von Gemeinschaft und gegenseitiger Unterstützung.
Bei Ich bin kein Einzelfall erleben wir, wie der Austausch von Erfahrungen, praktischen Tipps und emotionalem Beistand den Unterschied machen kann. Wir verstehen, dass Long COVID nicht nur die Gesundheit, sondern das gesamte Leben beeinflusst – einschließlich der finanziellen Situation.
Was können Betroffene tun?
- Teil einer Gemeinschaft werden: Hier findest du Menschen, die deine Situation verstehen
- Erfahrungen teilen: Dein Wissen kann anderen helfen
- Über Rechte informieren: Oft gibt es Unterstützungsmöglichkeiten, die nicht offensichtlich sind
- Politische Veränderungen fordern: Nur wenn wir unsere Stimmen vereinen, werden wir gehört
In einer Zeit, in der laut Familienbarometer fast die Hälfte der Schweizer Familien finanziell kaum über die Runden kommt, ist der Zusammenhalt wichtiger denn je. Für Long-COVID-Betroffene, die zusätzlich mit gesundheitlichen Einschränkungen kämpfen, gilt dies in besonderem Maße.
In diesem Sinne: Bleiben wir verbunden, bleiben wir informiert – und geben wir niemals auf. Denn du bist nicht allein, ich bin kein Einzelfall.
Quellen: Familienbarometer 2025 von Pro Familia und Pax; Berichterstattung von 20 Minuten