Wenn die IV nicht zahlt: Marco Muraros Kampf mit Long COVID und ein System, das Betroffene im Stich lässt

Quelle: Tagesanzeiger.ch

23 Stunden täglich im Liegen. Zu erschöpft, um zu kauen. Vom Arzt als arbeitsunfähig eingestuft. Und trotzdem: keine IV-Rente. Die Geschichte von Marco Muraro ist erschütternd und leider kein Einzelfall. Sie wirft ein Schlaglicht auf die schmerzhafte Realität vieler Long-COVID-Betroffener in der Schweiz und die systemischen Probleme, mit denen sie konfrontiert sind.

Die tragische Realität eines ehemaligen Arbeitnehmers

Der 50-jährige Marco Muraro erkrankte vor fünf Jahren an COVID-19. Was als Infektion begann, veränderte sein Leben grundlegend und dauerhaft. Heute verbringt er 23 Stunden täglich liegend. Es gab Zeiten, in denen selbst das Kauen zu anstrengend für ihn war – eine Realität, die für viele ohne persönliche Erfahrung mit Long COVID kaum vorstellbar ist.

Wir bei ichbinkeineinzelfall.ch haben Marcos persönliche Geschichte bereits geteilt, um auf das aufmerksam zu machen, was viele Long-COVID-Betroffene durchmachen: den täglichen Kampf mit ihrem Körper, den Verlust der Selbstständigkeit und die Erschütterung ihres gesamten Lebenskonzepts.

Im toten Winkel des Systems: Wenn Ärzte und IV-Gutachter verschiedene Sprachen sprechen

Was Marcos Fall besonders frustrierend macht: Während seine behandelnden Ärztinnen und Ärzte ihm eine vollständige Arbeitsunfähigkeit bescheinigen, sind die IV-Gutachter nicht davon überzeugt. Eine Diskrepanz, die bei Long COVID leider oft auftritt und die zeigt, wie schwer es für das bestehende System ist, mit dieser komplexen Erkrankung umzugehen.

Um eine IV-Rente zu erhalten, müssen Marcos Beschwerden durch ein Gutachten geprüft werden. Doch die IV-Begutachtungen selbst sind für ihn laut seiner Ärztin kaum zumutbar – ein tragisches Paradoxon, das viele Betroffene kennen: Man ist zu krank für die Prüfung, ob man krank genug für Unterstützung ist.

Der aktuelle Podcast “Apropos” des Tages-Anzeigers beleuchtet dieses Dilemma eindrücklich. Wir empfehlen allen, ihn anzuhören, um die tiefgreifenden systemischen Probleme zu verstehen, mit denen Long-COVID-Betroffene konfrontiert sind. Die Reporterin Jacqueline Büchi hat Marco zu Hause besucht und eine einfühlsame, aber auch aufschlussreiche Reportage erstellt, die zeigt: Marco ist kein Einzelfall.

Ein strukturelles Problem mit weitreichenden Folgen

Eine Studie im Auftrag des Bundes deutet darauf hin, dass viele Long-COVID-Betroffene ähnliche Erfahrungen machen wie Marco. Sie kämpfen vergeblich um eine IV-Rente, obwohl sie nicht mehr arbeiten können.

Dies wirft grundlegende Fragen auf:

  • Wie können wir komplexe, oft unsichtbare Erkrankungen wie Long COVID besser erfassen und anerkennen?
  • Wie kann das IV-System flexibler auf neue medizinische Herausforderungen reagieren?
  • Welche gesellschaftliche Verantwortung haben wir gegenüber Menschen, die durch eine Pandemie ihre Gesundheit und Arbeitsfähigkeit verloren haben?

Die vielen Gesichter von Long COVID

Die Diskussion um IV-Leistungen für Long-COVID-Betroffene ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Erkrankung selbst manifestiert sich in vielfältiger Weise und mit unterschiedlicher Schwere:

Körperliche Symptome

  • Extreme Erschöpfung (Fatigue)
  • Post-Exertional Malaise (PEM) – Verschlechterung nach Anstrengung
  • Atembeschwerden
  • Herzrhythmusstörungen
  • Chronische Schmerzen
  • Neurologische Symptome

Kognitive Beeinträchtigungen

  • Konzentrationsstörungen
  • Gedächtnisprobleme
  • “Brain Fog” (Gehirnnebel)

Alltägliche Herausforderungen

  • Unfähigkeit, grundlegende Aufgaben zu erledigen
  • Verlust der Selbstständigkeit
  • Soziale Isolation
  • Finanzielle Notlagen

Jedes dieser Symptome allein kann bereits einschränkend sein. In Kombination, wie es bei vielen Long-COVID-Betroffenen der Fall ist, können sie das Leben völlig auf den Kopf stellen. Marcos Geschichte illustriert dies auf schmerzliche Weise.

Du bist kein Einzelfall: Die Bedeutung von Gemeinschaft

Ein zentraler Aspekt, der bei der Bewältigung von Long COVID oft übersehen wird, ist die psychosoziale Dimension. Die Isolation, die mit der Erkrankung einhergeht, wird noch verstärkt durch das Gefühl, nicht verstanden oder ernst genommen zu werden – sei es von Ärzten, Behörden oder manchmal sogar von Familie und Freunden.

Genau hier setzt unsere Gemeinschaft auf ichbinkeineinzelfall.ch an. Wir bieten einen Raum, in dem Betroffene:

  • Ihre Geschichten teilen können, wie Marco es getan hat
  • Sich verstanden und gesehen fühlen, weil andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben
  • Praktische Tipps austauschen zum Umgang mit Behörden, Ärzten und dem Alltag mit Long COVID
  • Gemeinsam für Anerkennung und bessere Versorgung kämpfen können

Unsere wachsende Community zeigt: Long COVID mag dich isolieren, aber du bist damit nicht allein. Tausende in der Schweiz teilen ähnliche Erfahrungen und kämpfen mit ähnlichen Herausforderungen.

Was können wir tun? Handlungsansätze auf verschiedenen Ebenen

Die Situation von Marco und vielen anderen Long-COVID-Betroffenen erfordert Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen:

Für Betroffene

  • Vernetzt euch mit anderen über Plattformen wie ichbinkeineinzelfall.ch
  • Dokumentiert eure Symptome und deren Auswirkungen auf euren Alltag detailliert
  • Sucht spezialisierte medizinische Hilfe bei Ärzten, die Erfahrung mit Long COVID haben
  • Lasst euch beraten zu sozialversicherungsrechtlichen Fragen

Für Angehörige und Freunde

  • Informiert euch über Long COVID und seine vielfältigen Auswirkungen
  • Glaubt den Betroffenen ihre Symptome und Einschränkungen
  • Unterstützt praktisch und emotional, ohne zu überfordern
  • Sprecht über das Thema in eurem Umfeld, um Bewusstsein zu schaffen

Für medizinisches Fachpersonal

  • Bildet euch fort zu Long COVID und seinen Manifestationen
  • Hört zu und nehmt die Beschwerden der Patienten ernst
  • Vernetzt euch mit Kollegen, die Erfahrung mit Long COVID haben
  • Setzt euch ein für eine bessere Anerkennung der Erkrankung

Für politische Entscheidungsträger

  • Überprüft die Bewertungskriterien der IV für komplexe, chronische Erkrankungen
  • Investiert in Forschung zu Long COVID und seinen Behandlungsmöglichkeiten
  • Schafft spezialisierte Versorgungsstrukturen für Long-COVID-Betroffene
  • Erkennt die besonderen Herausforderungen dieser Pandemiefolgen an

Hoffnung trotz widriger Umstände

Trotz all dieser Herausforderungen gibt es auch Gründe zur Hoffnung. Die zunehmende mediale Aufmerksamkeit – wie durch den “Apropos”-Podcast des Tages-Anzeigers – trägt dazu bei, Bewusstsein zu schaffen. Die wachsende Gemeinschaft von Betroffenen verleiht dem Thema eine stärkere Stimme. Und die Forschung zu Long COVID schreitet voran, auch wenn es für viele Betroffene wie Marco ein Wettlauf gegen die Zeit ist.

Marcos Geschichte mahnt uns: Wir dürfen nicht wegschauen. Hinter jeder statistischen Zahl zu Long COVID steht ein Mensch mit Hoffnungen, Träumen und einem Leben, das plötzlich aus den Fugen geraten ist. Ein Mensch, der Unterstützung verdient – medizinisch, finanziell und menschlich.

Werde Teil der Lösung

Die Situation von Marco und tausenden anderen Long-COVID-Betroffenen in der Schweiz kann sich nur verbessern, wenn wir gemeinsam handeln:

  1. Höre dir den “Apropos”-Podcast an und teile ihn in deinem Netzwerk
  2. Besuche ichbinkeineinzelfall.ch und erfahre mehr über die Realität von Long-COVID-Betroffenen
  3. Teile deine eigene Geschichte, wenn du selbst betroffen bist
  4. Sprich über das Thema in deinem Umfeld und hilf, Bewusstsein zu schaffen
  5. Unterstütze Initiativen und Organisationen, die sich für Long-COVID-Betroffene einsetzen

Ein Appell zum Schluss

Long COVID ist eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit – nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern für unser gesamtes Gesundheits- und Sozialsystem. Die Geschichte von Marco Muraro steht stellvertretend für viele andere, die im Schatten der Pandemie leiden und um Anerkennung und Unterstützung kämpfen.

Lassen wir sie nicht allein. Lassen wir nicht zu, dass sie zu Kolateralschäden einer Pandemie werden, die viele für beendet erklären. Jeder von uns kann einen Beitrag leisten – durch Zuhören, Verstehen, Informieren und Handeln.

Denn eines ist sicher: Marco ist kein Einzelfall. Und mit vereinten Kräften können wir dafür sorgen, dass Long-COVID-Betroffene die Unterstützung bekommen, die sie brauchen und verdienen.


Hast du selbst Erfahrungen mit Long COVID oder Schwierigkeiten mit der IV? Teile deine Geschichte mit unserer Community auf ichbinkeineinzelfall.ch. Gemeinsam sind wir stärker.

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