Re-Infektionen und ihre Folgen: Wenn das Immunsystem erneut kollabiert

Nach Wochen oder Monaten, in denen sich dein Zustand vielleicht etwas stabilisiert hat, trifft es dich plötzlich wieder: Eine neue Infektion – sei es durch eine Covid-Variante, eine Erkältung oder eine andere Krankheit – bringt dein gesamtes System aus dem Gleichgewicht. Symptome, die schon fast verschwunden schienen, kehren zurück. Neue Beschwerden treten auf. Du fühlst dich wieder wie am Anfang deiner Krankheit, vielleicht sogar schlimmer, und alles, was du in der Zwischenzeit aufgebaut hast, bricht erneut zusammen.

Dieses Szenario ist leider eine häufige Realität für Menschen mit Long Covid, ME/CFS oder anderen chronischen Erkrankungen. Doch warum passiert das? Was macht eine erneute Infektion so verheerend, und wie kannst du in dieser schwierigen Zeit mit dir umgehen?


Warum sind Re-Infektionen so problematisch?

Das Immunsystem von Menschen mit chronischen Erkrankungen ist oft schon im Grundzustand überfordert. Eine Re-Infektion – egal ob durch eine neue Covid-Variante, die Grippe, einen Magen-Darm-Virus oder eine andere Krankheit – belastet dieses ohnehin fragile Gleichgewicht massiv.

Mögliche Mechanismen hinter der Verschlechterung:

  1. Dauerhafte Überforderung des Immunsystems:
    • Bei Long Covid und ME/CFS arbeitet das Immunsystem oft im “Dauerkriegsmodus”. Eine zusätzliche Infektion bringt es noch weiter aus der Balance. Das kann dazu führen, dass alte Symptome zurückkehren oder sich verstärken.
  2. Entzündungsreaktionen:
    • Neue Infektionen können Entzündungen im Körper verstärken. Diese Entzündungen spielen eine Schlüsselrolle bei der Verschlechterung der Symptome, insbesondere bei neurologischen und muskulären Beschwerden.
  3. Neu getriggerte Dysregulation:
    • Das Nervensystem, das bei chronischen Erkrankungen oft überempfindlich ist, wird erneut getriggert. Das führt zu einer Verschärfung von Reizempfindlichkeit, Brain Fog und Erschöpfung.
  4. Energieverbrauch durch Heilung:
    • Das Immunsystem benötigt enorme Mengen an Energie, um Infektionen zu bekämpfen. Diese Energie fehlt dann für andere lebenswichtige Prozesse, was die Erschöpfung verstärkt.
  5. Reaktivierung von alten Infektionen:
    • Re-Infektionen können latente Viren wie Epstein-Barr-Virus (EBV) oder Herpesviren reaktivieren, die schon vorher im Körper geschlummert haben. Dies führt zu einer zusätzlichen Belastung.

Welche Symptome treten nach einer Re-Infektion auf?

Die Symptome können variieren, aber viele Betroffene berichten von:

  • Rückkehr von Fatigue: Selbst kleinste Anstrengungen führen wieder zu totaler Erschöpfung.
  • Brain Fog: Konzentrationsprobleme und Gedächtnisverlust sind oft schlimmer als zuvor.
  • Schmerzen: Muskeln, Gelenke und sogar Nerven können sich entzünden und intensivere Schmerzen verursachen.
  • Reizempfindlichkeit: Licht, Geräusche und Gerüche werden unerträglich.
  • Atemprobleme: Die Lungenfunktion wird durch die Infektion zusätzlich belastet.
  • Herzrasen und Kreislaufprobleme: Symptome von POTS (Posturales Tachykardiesyndrom) treten verstärkt auf.
  • Neue Symptome: Einige Betroffene berichten, dass eine Re-Infektion neue Beschwerden wie Migräne, Hautausschläge oder starke Übelkeit auslöst.

Warum fühlt man sich so hilflos?

Die Rückkehr alter Symptome oder das Auftreten neuer Beschwerden kann emotional und psychisch extrem belastend sein.

  1. Gefühl des Kontrollverlusts:
    Du hast möglicherweise Wochen oder Monate daran gearbeitet, deinen Zustand zu stabilisieren, und nun scheint alles vergeblich gewesen zu sein.
  2. Unsicherheit über die Zukunft:
    Jede neue Verschlechterung weckt die Angst, dass du dich nie mehr erholen wirst oder der Zustand dauerhaft bleibt.
  3. Unverständnis von Außen:
    Oft fehlt es an Unterstützung oder Verständnis von Familie, Freunden oder Ärztinnen und Ärzten. Kommentare wie „Es ist doch nur ein Infekt“ verstärken das Gefühl, allein zu sein.
  4. Mangelnde medizinische Antworten:
    Selbst Fachleute können oft nicht genau erklären, warum eine Re-Infektion solche massiven Auswirkungen hat. Das Gefühl, auf keine klaren Lösungen zugreifen zu können, verstärkt die Hilflosigkeit.

Wie kannst du dich nach einer Re-Infektion unterstützen?

1. Sofortige Ruhe und Erholung

  • Unterbrich jede Aktivität und gönn dir absolute Ruhe. Auch wenn es schwerfällt, akzeptiere, dass dein Körper jetzt alle Energie für die Heilung braucht.

2. Flüssigkeit und Elektrolyte

  • Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist entscheidend. Trinke Wasser, Tee oder Elektrolytgetränke, um deinen Kreislauf zu unterstützen und den Heilungsprozess zu fördern.

3. Leichte, nährstoffreiche Ernährung

  • Dein Körper benötigt Nährstoffe, um das Immunsystem zu stärken. Greif zu leicht verdaulichen, nährstoffreichen Lebensmitteln wie Gemüsebrühe, Haferflocken oder gedünstetem Gemüse.

4. Pacing konsequent anwenden

  • Belastung vermeiden ist jetzt oberstes Gebot. Halte dich strikt an das Pacing-Prinzip: kurze Aktivität, lange Ruhephasen.

5. Symptome notieren

  • Führe ein Tagebuch, um die Entwicklung deiner Symptome zu dokumentieren. Das hilft dir, Muster zu erkennen und bei Gesprächen mit Ärztinnen und Ärzten gezielte Informationen zu liefern.

6. Entzündungshemmende Maßnahmen

  • Einige Betroffene finden Erleichterung durch entzündungshemmende Nahrungsergänzungsmittel wie Omega-3-Fettsäuren, Kurkuma oder Vitamin D. Sprich vorher mit einer Fachperson.

7. Unterstützung suchen

  • Teile deine Situation mit Menschen, die dir nahestehen, oder suche Kontakt zu Selbsthilfegruppen. Es hilft, dich mit anderen auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen machen.

Wie vermeidest du zukünftige Re-Infektionen?

Auch wenn sich nicht jede Infektion verhindern lässt, gibt es Maßnahmen, um das Risiko zu verringern:

  1. Starke Hygiene:
    Wasche regelmäßig die Hände und vermeide es, dir ins Gesicht zu fassen.
  2. Masken tragen:
    In öffentlichen Verkehrsmitteln, Arztpraxen oder anderen Risikozonen schützt eine Maske vor Infektionen.
  3. Kontakt zu Erkrankten meiden:
    Reduziere Kontakte, wenn jemand in deiner Umgebung krank ist.
  4. Immunsystem stärken:
    Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und Stressmanagement helfen, das Immunsystem widerstandsfähiger zu machen.

Geduld und Selbstmitgefühl

Eine Re-Infektion kann alles durcheinanderbringen, aber sie ist kein Zeichen von persönlichem Versagen. Dein Körper kämpft immer noch für dich, auch wenn es sich oft nicht so anfühlt. Gib dir die Zeit, die du brauchst, um dich zu erholen, und akzeptiere, dass Fortschritte oft langsam sind.

Es ist ein schwieriger Weg, aber du bist nicht allein. Mit der richtigen Unterstützung und einer guten Portion Geduld kannst du dich auch aus einem erneuten Rückschlag wieder herausarbeiten.

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