
Die Folgen von Long Covid sind nicht nur für die Betroffenen selbst belastend, sondern offenbaren auch erhebliche Schwächen im Gesundheitssystem. Besonders drastisch zeigt sich dies in den langen Wartezeiten für sogenannte Long-Covid-Sprechstunden: Oft dauert es bis zu 1,5 Jahre, bis Betroffene einen Termin bekommen. Angesichts der hohen Nachfrage ist dies ein deutliches Zeichen für ein massives Versorgungsdefizit – eines, das viele Betroffene mit dem Gefühl zurücklässt, von der Gesellschaft und den Institutionen im Stich gelassen zu werden.
Ein massives Bedürfnis trifft auf begrenzte Kapazitäten
Die Nachfrage nach Long-Covid-Sprechstunden steigt kontinuierlich. Dies zeigt, wie groß der Bedarf an spezialisierter medizinischer Hilfe ist. Menschen, die unter den Langzeitfolgen einer Covid-19-Infektion leiden, kämpfen mit Symptomen wie chronischer Erschöpfung, Atemproblemen, Konzentrationsstörungen oder Muskelschmerzen – Symptome, die den Alltag massiv einschränken und oft eine Rückkehr ins Berufsleben unmöglich machen.
Dennoch sind die Kapazitäten der spezialisierten Kliniken und Ambulanzen stark begrenzt. Die Wartezeiten von bis zu 18 Monaten sprechen eine klare Sprache: Es gibt viel mehr Betroffene, als das Gesundheitssystem derzeit bewältigen kann. Selbst wenn die betroffenen Personen irgendwann einen Termin erhalten, vergeht wertvolle Zeit, in der ihre Symptome unbehandelt bleiben – oft mit der Folge, dass sich ihr Zustand verschlechtert.
Die Wahrnehmung des Bundes: Ein Widerspruch zur Realität
Was die Situation noch frustrierender macht, ist die Diskrepanz zwischen der offiziellen Darstellung und der Realität vor Ort. Der Bund hat kürzlich festgestellt, dass es in der Schweiz eine „hervorragende Versorgung“ für Long-Covid-Betroffene gebe. Diese Einschätzung steht jedoch in krassem Gegensatz zu den Erfahrungen der Patienten. In der Realität fühlen sich viele von ihnen allein gelassen: Sie finden kaum Ärzte, die ihre Symptome ernst nehmen, und sehen sich mit langen Wartezeiten konfrontiert, selbst in spezialisierten Einrichtungen.
Das Narrativ einer „hervorragenden Versorgung“ mag auf dem Papier stimmen, wo Statistiken und Zahlen ausgewertet werden. Doch für die Betroffenen, die dringend Hilfe brauchen, ist es eine bittere Ironie. Sie erleben ein Gesundheitssystem, das ihren Bedürfnissen nicht gerecht wird – nicht aus mangelndem Willen, sondern aufgrund begrenzter Ressourcen und einer schier überwältigenden Nachfrage.
Die Belastung für Betroffene: Ein Leben in der Warteschleife
Für Menschen mit Long Covid bedeutet die lange Wartezeit nicht nur eine Verzögerung in der Behandlung, sondern auch eine erhebliche psychische Belastung. Das Gefühl, von der Medizin allein gelassen zu werden, kann Ängste und Hoffnungslosigkeit verstärken. Viele fühlen sich nicht nur krank, sondern auch unsichtbar – als ob ihre Probleme in der Gesellschaft keine Priorität hätten.
Die langen Wartezeiten sind besonders schwer für Menschen, die auf eine schnelle Rückkehr ins Arbeitsleben angewiesen sind. Ohne angemessene medizinische Betreuung sind sie oft gezwungen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder ihre Karriere ganz aufzugeben, was finanzielle und soziale Folgen nach sich zieht. Hinzu kommt, dass viele Erkrankte von Angehörigen oder Freunden missverstanden werden, da Long Covid für Außenstehende oft unsichtbar bleibt.
Die Forderung nach besserer Versorgung
Die Situation zeigt deutlich, dass mehr getan werden muss, um Long-Covid-Betroffene zu unterstützen. Es braucht dringend:
- Mehr Fachpersonal und spezialisierte Einrichtungen: Die Anzahl der Long-Covid-Sprechstunden muss deutlich erhöht werden, um die Nachfrage zu bewältigen.
- Eine bessere Ausbildung für Allgemeinärzte: Viele Betroffene scheitern bereits daran, dass Hausärzte ihre Symptome nicht ernst nehmen oder nicht über die nötigen Kenntnisse verfügen, um Long Covid zu erkennen.
- Stärkere Unterstützung durch den Bund: Der Bund sollte seine Einschätzung der Versorgungssituation überdenken und konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Versorgungslücke zu schließen.
- Psychosoziale Unterstützung: Neben medizinischer Versorgung brauchen viele Betroffene psychologische Hilfe, um mit den Herausforderungen der Krankheit umzugehen.
Ein persönlicher Appell
Als jemand, der die Folgen von Long Covid hautnah erlebt, kann ich sagen, dass die aktuelle Situation untragbar ist. Ich kenne die Verzweiflung, die aufkommt, wenn man immer wieder auf lange Wartezeiten vertröstet wird. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man das Gefühl hat, nicht ernst genommen zu werden – nicht von der Gesellschaft, nicht vom Gesundheitssystem.
Für uns Betroffene sind 1,5 Jahre Wartezeit keine Statistik, sondern eine Qual. Es bedeutet, in einem Zustand der Ungewissheit und Hilflosigkeit zu leben, ohne zu wissen, ob man jemals die Hilfe bekommt, die man so dringend braucht. Die Aussage, dass die Versorgung „hervorragend“ sei, ist in diesem Kontext ein Schlag ins Gesicht. Es zeigt, wie groß die Lücke zwischen der offiziellen Wahrnehmung und der Realität ist.
Es ist an der Zeit zu handeln
Die langen Wartezeiten für Long-Covid-Sprechstunden sind kein Einzelfall, sondern ein Symptom eines viel größeren Problems. Sie zeigen, wie dringend mehr Kapazitäten geschaffen werden müssen, um den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen mit Long Covid in der Warteschleife hängen bleiben – weder in den Ambulanzen noch in der politischen Aufmerksamkeit.
Diejenigen von uns, die mit Long Covid leben, brauchen keine leeren Versprechen, sondern konkrete Maßnahmen. Wir brauchen ein Gesundheitssystem, das uns sieht, uns ernst nimmt und uns die Hilfe bietet, die wir verdienen. Denn nur so können wir die Hoffnung bewahren, dass es eines Tages besser wird.