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“Long Covid hat mir mein Leben weggenommen. Nichts von dem, was vorher normal war, ist noch normal.”
Diese Worte spiegeln die Realität vieler Menschen wider, die mit den langfristigen Folgen einer COVID-19-Infektion kämpfen. Du bist nicht allein mit deinen Erfahrungen, deiner Verzweiflung und deiner Suche nach Hilfe. In diesem Beitrag teilen wir die Geschichten von Sandra und Christoph, zwei Betroffenen, die ihren Weg durch die Herausforderungen von Long Covid und ME/CFS finden.
- Sandras Geschichte: Der tägliche Kampf mit Long Covid
- Der Kampf um Anerkennung: Wenn Ärzte nicht zuhören
- Eigeninitiative: Ein Schlüssel zur Bewältigung
- Christophs Weg: Von totaler Hilflosigkeit zurück ins Leben
- Therapieansätze, die Hoffnung machen
- Die Kraft der Gemeinschaft
- Praktische Tipps für Betroffene
- Hoffnung am Horizont
- Du bist kein Einzelfall
Sandras Geschichte: Der tägliche Kampf mit Long Covid
Sandra Stiebitz ist 39 Jahre alt und seit über einem Jahr an Long Covid erkrankt. Ihr Alltag ist geprägt von Symptomen, die ihr Leben grundlegend verändert haben:
“Ich bin permanent müde. Der Körper fühlt sich schwer an, so ein bisschen bleiern. Manchmal fast, als wenn mir ein Anker dranhängt, der mich einfach runterzieht und mich wirklich auch an die Couch festnagelt oder ans Bett.”
Für Sandra, die früher ein sehr aktives Leben führte, ist diese Erschöpfung besonders belastend. Hinzu kommen kognitive Probleme, die selbst alltägliche Aufgaben zur Herausforderung machen. Sie beschreibt einen besonders erschreckenden Moment:
“Ich hatte Probleme, mich zu orientieren. Direkt vor meinem Haus wusste ich nicht mehr, wie ich meine Wohnung finden soll. Ich habe mich so hilflos gefühlt, hatte Angst. Dieses Gefühl werde ich nie vergessen. Ich bin 39, ich rechne nicht mit sowas.”
Ihre Tochter beobachtet die Veränderungen mit Sorge: “Es ist sehr schwer für mich anzusehen, wie meine Mutter immer mehr abbaut. Sie war immer für mich der intelligenteste und stärkste Mensch, den ich kenne. Sie ist es immer noch, aber sie so schnell mit Kleinigkeiten überfordert zu sehen, ist sehr schwer für mich.”
Der Kampf um Anerkennung: Wenn Ärzte nicht zuhören
Eine zusätzliche Belastung für viele Long-Covid-Betroffene ist das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Sandra beschreibt ihre Erfahrungen mit Ärzten:
“Ich hatte jedes Mal wieder das Gefühl, darum betteln zu müssen, dass man mir zuhört. Das Gefühl, als würde ich nur jammern.”
Als neue Symptome wie Muskelschmerzen auftraten, diagnostizierte ihr Hausarzt Arthritis und Erschöpfung. Sandra glaubte ihm nicht und begann, ihre Symptome systematisch aufzuschreiben, um den Ärzten ein vollständigeres Bild zu vermitteln.
Diese Erfahrung ist leider typisch für viele Betroffene von Long Covid und ME/CFS. Wenn du ähnliche Erfahrungen gemacht hast, denke daran: Deine Symptome sind real. Deine Erfahrungen sind gültig. Du kennst deinen Körper am besten.
Eigeninitiative: Ein Schlüssel zur Bewältigung
Sandra erkannte, dass sie selbst aktiv werden musste: “Ich kann ja nicht akzeptieren, dass es so ist und dass es nicht weitergeht. Das Leben geht weiter, die Erde dreht sich weiter, und für alle Betroffenen wie auch für mich ist es ganz wichtig, da einfach aktiv zu sein, Initiative zu zeigen. Weil jemand anderes tut das nicht für dich.”
Sie recherchierte ihre Symptome, fand Übereinstimmungen in Fallbeschreibungen zu Long Covid und suchte nach spezialisierten Ärzten und Therapien. Dies führte sie schließlich zu Dr. Ulrike Leimer-Lipke, einer Ärztin, die bereits fast 1.500 Long-Covid-Patienten behandelt hat.
Christophs Weg: Von totaler Hilflosigkeit zurück ins Leben
Christoph Zameit, 38 Jahre alt, erkrankte vor zweieinhalb Jahren an Long Covid. Bei ihm wurde ME/CFS diagnostiziert, was als schwerstmöglicher Verlauf einer Long-Covid-Erkrankung gilt.
Seine Erkrankung begann mit gewöhnlichen Grippesymptomen, entwickelte sich dann aber zu schweren Herz-Kreislauf-Problemen. Er kam zeitweise nicht mehr aus dem Bett und konnte sich nicht mehr allein versorgen. Schließlich musste er sogar zu seinen Eltern ziehen:
“Die Entscheidung, zu meinen Eltern zurückzuziehen, war eine sehr schwierige Entscheidung. Ich war 36 Jahre alt, ich liebe meine Autonomie. Was mich bewogen hat, war, dass ich mich letztendlich einfach dieser Krankheit komplett ausgeliefert und hilflos gefühlt habe.”
Christoph hatte das Glück, Ärzte zu finden, die an Long Covid und ME/CFS glaubten und offen für neue Behandlungsansätze waren:
“Ich hatte das Glück, dass ich gute Ärzte hatte, die an das Vorhandensein von Long Covid und ME/CFS geglaubt haben, was nicht selbstverständlich ist. Die offen waren gegenüber Studien, die ich ihnen vorgelegt habe, und die mit mir dann experimentell mehrere Medikamente ausprobiert haben, wovon einige wirklich gut angeschlagen haben.”
Heute ist Christoph zwar noch nicht vollständig genesen, aber er lebt wieder allein und kann arbeiten. Die Erfahrung hat ihn so verändert, dass er seinen alten Job als Informatiker aufgab und nun für eine gemeinnützige Organisation arbeitet, die Forschung zu ME/CFS und Long Covid vorantreibt.
Therapieansätze, die Hoffnung machen
Dr. Ulrike Leimer-Lipke hat ein mehrstufiges Therapiekonzept entwickelt, das Sandra dabei hilft, ihren Weg zurück ins Leben zu finden:
1. Ernährungsumstellung
Ein wichtiger Baustein ist die Ernährungsumstellung. Sandra verzichtet seit einigen Wochen auf Zucker, der Entzündungsprozesse im Körper begünstigt:
“Die Ernährungsumstellung, das hat keine 10-14 Tage gedauert, dass ich merke, dass die Belastungsgrenzen und auch das Kognitive teilweise schon ein bisschen nach oben gehen. Ich bin absoluter Zuckerjunky gewesen, Schokolade war mein täglich Brot. Es ist mir schon sehr schwer gefallen, und auch jetzt passieren manchmal noch Ausrutscher, wobei ich dafür spätestens am nächsten Tag die Quittung kriege. Ich merke sofort, dass es in meinem Körper die Entzündung ankurbelt.”
2. Radiale Stoßwellentherapie
Diese Therapie soll Sandras Atemmuskulatur unterstützen. Die mechanischen Druckwellen sollen im Gewebe Verklebungen der Faszien lösen, damit die Atemmuskulatur wieder besser arbeiten kann:
“Ich sitze dann manchmal schon unten und wir haben noch nicht mal angefangen, und mir kommen vor Schmerzen schon fast die Tränen. Und trotzdem mache ich das immer wieder. Ich will mein Leben zurück.”
3. Intervallhöhentherapie
Mit dieser Therapie soll die Neubildung von Mitochondrien unterstützt werden – den sogenannten “Kraftwerken” in unseren Zellen. Dabei atmet Sandra abwechselnd sauerstoffarme “Bergluft” und sauerstoffreichere “Meeresluft” ein. Das Ziel ist, die chronische Erschöpfung zu mindern und die Belastungsfähigkeit des Körpers zu steigern.
4. Kreative Therapie für die Seele
Christoph hat eine weitere Bewältigungsstrategie gefunden:
“Zu dem Zeitpunkt, wo ich viel gelegen bin, war es mir immer mal wieder möglich, 10-15 Minuten Klavier zu spielen. Das hat glaube ich der emotionalen Bewältigung der Krankheit sehr gut getan. Psychisch war das ein wichtiger Punkt, um negative Gefühle und dieses Gefühl des Verlassen-worden-Seins und des Aufgeschmissen-Seins irgendwie zu verarbeiten und für sich auch mal positive Gefühle herzustellen.”
Die Kraft der Gemeinschaft
Eine der wertvollsten Ressourcen für Betroffene ist der Austausch mit Menschen, die Ähnliches durchmachen. Christoph und Sandra haben sich getroffen, und Christoph konnte seine Erfahrungen und Strategien teilen:
“Was mich aus diesem Tal rausgebracht hat, von ‘Wir haben bisher keine Therapien, diese Krankheit ist bisher nicht heilbar’ und so weiter – dem habe ich etwas entgegengesetzt, indem ich aktiv geworden bin. Das geht natürlich nur, wenn man ein bisschen die Ressourcen dafür hat. Ich habe versucht, irgendwo mitzuarbeiten bei einer Organisation. Das ist für meinen Weg etwas sehr Heilsames gewesen.”
Für Sandra war dieses Gespräch mit Christoph inspirierend:
“Das beflügelt mich schon einmal, schon alleine die Energie, die Chris hier rüberbringt, und auch dass er es schon so weit geschafft hat. Das ist natürlich auch hilfreich, es macht Mut, macht Hoffnung.”
Praktische Tipps für Betroffene
Aus den Erfahrungen von Sandra und Christoph lassen sich einige Strategien ableiten, die dir vielleicht auf deinem eigenen Weg helfen können:
- Dokumentiere deine Symptome: Wie Sandra kannst du ein Tagebuch führen, um Ärzten ein vollständigeres Bild deiner Beschwerden zu vermitteln.
- Suche nach spezialisierten Ärzten: Nicht alle Mediziner sind mit Long Covid und ME/CFS vertraut. Es lohnt sich, nach Spezialisten zu suchen, die Erfahrung mit diesen Erkrankungen haben.
- Informiere dich: Recherchiere selbst über deine Erkrankung, aber achte auf vertrauenswürdige Quellen wie medizinische Fachzeitschriften oder anerkannte Patientenorganisationen.
- Pacing anwenden: Lerne, deine Energiereserven einzuteilen und Überanstrengung zu vermeiden. Sandra weiß: “Es ist okay, wenn es mir nicht gut geht, dann ist auch mal ein, zwei Tage Bettzeit total in Ordnung.”
- Ernährung anpassen: Überlege, ob eine entzündungshemmende Ernährung für dich hilfreich sein könnte. Die Erfahrung zeigt, dass besonders der Verzicht auf Zucker positive Auswirkungen haben kann.
- Kleine Erfolge feiern: Jeder noch so kleine Schritt in Richtung Besserung ist ein Erfolg und verdient Anerkennung.
- Kreative Ausdrucksformen finden: Wie Christoph mit dem Klavierspielen kannst du vielleicht eine Aktivität finden, die dir emotional gut tut und die du auch an schlechten Tagen in kleinen Dosen ausüben kannst.
- Gemeinschaft suchen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann enorm hilfreich sein, sei es in Selbsthilfegruppen, Online-Foren oder auf Plattformen wie unserer.
Hoffnung am Horizont
Dr. Leimer-Lipke gibt Sandra eine positive Prognose:
“Meine Prognose ist, wir brauchen noch ein halbes bis dreiviertel Jahr. Ich hoffe mal, im halben Jahr haben wir Sandra in guter Wiedereingliederung, so dass wir in dem dreiviertel Jahr dann sie zurück haben in ihren Lebensbereichen.”
Für Sandra wäre das ein großer Erfolg:
“Es wäre mega, ich wäre glücklich, wenn ich in neun Monaten wieder so am Leben teilnehmen kann und wieder arbeiten gehen kann. Das gibt mir Hoffnung.”
Und Christoph, der inzwischen sein “Herzensthema zum Beruf gemacht” hat, engagiert sich weiter für die Forschung zu ME/CFS und Long Covid. Mit seiner “Lemon Challenge” – einem symbolischen Biss in eine Zitrone als Zeichen für die Qual, die Betroffene täglich erleben – macht er auf das Thema aufmerksam.
Du bist kein Einzelfall
Wenn du mit Long Covid oder ME/CFS lebst, denke immer daran: Du bist kein Einzelfall. Tausende Menschen teilen ähnliche Erfahrungen, kämpfen mit ähnlichen Symptomen und suchen nach Wegen, ihr Leben zurückzugewinnen.
Manchmal braucht es nur ein kurzes Gespräch, etwas Aufmerksamkeit, damit wir wieder optimistischer in die Zukunft blicken können. Genau das möchten wir mit dieser Community erreichen – ein Ort der Unterstützung, des Austauschs und der Hoffnung.
Teile deine Geschichte mit uns, stelle Fragen, gib Tipps weiter. Gemeinsam sind wir stärker.
Hinweis: Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der ARD-Gesundheitsreihe über Long Covid und ME/CFS. Die beschriebenen Therapieansätze stellen keine medizinische Empfehlung dar. Bitte sprich vor Beginn einer neuen Therapie immer mit deinem behandelnden Arzt.
Wenn du selbst Hilfe benötigst oder dich mit anderen Betroffenen austauschen möchtest, bist du auf unserer Plattform ichbinkeineinzelfall.ch herzlich willkommen.