Leben im Schatten von Long COVID: Ein Betroffener teilt seine Geschichte

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In diesem Beitrag geben wir Einblick in die täglichen Herausforderungen von Long-COVID-Betroffenen. Erik Zirns Geschichte zeigt, wie diese oft unsichtbare Erkrankung das Leben grundlegend verändert und warum wir mehr Verständnis und bessere Versorgungsstrukturen brauchen.

Die verlorene Normalität: Wenn Corona das Leben komplett verändert

Für viele mag die Corona-Pandemie inzwischen der Vergangenheit angehören, doch für Menschen wie Erik Zirn bleibt sie täglich präsent. Seit seiner COVID-19-Infektion vor rund zweieinhalb Jahren ist nichts mehr, wie es war. Die Welt des ehemaligen Wissenschaftskommunikators hat sich dramatisch verkleinert – sie beschränkt sich heute größtenteils auf Couch, Bett und Küche in seiner abgedunkelten Wohnung.

“An guten Tagen kann ich mich selbst versorgen und z.B. einen Arztbesuch oder einen Einkauf erledigen. An schlechten Tagen bin ich quasi schon mit Essen und Körperpflege ausgelastet.”

Diese drastische Einschränkung der Lebensqualität ist für viele Long-COVID-Betroffene Realität. Was für Gesunde selbstverständlich erscheint, wird zur kaum überwindbaren Hürde – eine Erfahrung, die auch viele Mitglieder unserer Community auf ichbinkeineinzelfall.ch teilen.

Die Bestrafung durch den Körper: Wenn Aktivität zum Risiko wird

Besonders charakteristisch für Long COVID und ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) ist die sogenannte Post-Exertional Malaise (PEM) – eine verzögerte Verschlechterung der Symptome nach körperlicher oder geistiger Anstrengung. Erik beschreibt diesen Zustand eindrücklich:

“Wenn nach einer Stunde anfängt, dass die Augen weh tun, ich kurzatmig werde, der Mund trocken wird, mir übel wird, der Kreislauf anfängt zu schwimmen – dann muss ich sofort aufhören. Wenn ich da aus Trotz oder Begeisterung oder Stress sage, ich muss jetzt noch ein, zwei Stunden weitermachen, dann kann ich mich ganz schnell in den Crash bringen. Dann kommt ganz schnell die Bestrafung am nächsten Tag, und da kann ich dann ein bis drei bis fünf Tage komplett ans Bett gebunden sein.”

Diese “Crashs” waren auch der Grund, warum Eriks Versuche, ins Arbeitsleben zurückzukehren, scheiterten. Selbst das Interview, aus dem diese Zitate stammen, wird ihn auslaugen – das weiß er bereits im Voraus. Dennoch nimmt er diese Belastung in Kauf, um auf die Nöte von Patienten wie ihm aufmerksam zu machen.

Fünf Jahre nach Patient Null: Die Versorgungslage bleibt katastrophal

Kurz vor dem fünften Jahrestag der ersten in Deutschland registrierten Corona-Infektion nutzt Erik die Gelegenheit, um auf die nach wie vor prekäre Situation von Long-COVID-Betroffenen hinzuweisen:

“Die Lage von uns Long COVID/Post-COVID-Betroffenen ist je nach Region schwierig bis katastrophal. Es hängt sehr von den behandelnden Ärztinnen ab, bei denen man aufläuft. Wenn ich eine gute Hausärztin finde, die sich engagiert und offen ist, habe ich Glück. Es gibt aber sehr, sehr viele Fälle von Betroffenen, wo die Leute noch immer darum kämpfen, überhaupt die Diagnose zu bekommen.”

Diese Erfahrung deckt sich mit den Berichten vieler Betroffener in unserer Community. Der Kampf um Anerkennung, angemessene Diagnostik und Behandlung ist oft ein zermürbender Marathon, der wertvolle Energie kostet – Energie, die Betroffenen ohnehin kaum zur Verfügung steht.

Die Zahlen sprechen für sich: Long COVID bleibt ein Massenphänomen

Experten sind sich einig: Long COVID bleibt auch nach dem offiziellen Ende der Pandemie eine enorme gesundheitliche und gesellschaftliche Herausforderung:

“Die Zahlen, die wir haben, zeigen ungefähr, dass bei 10 bis 30% der Corona-Infektionen anschließend Langzeitfolgen auftreten. Das ist ein erheblicher Anteil, das ist auch ein großes Risiko noch nach wie vor. Das ist mit den aktuell zirkulierenden Varianten weniger als es bei Delta oder Omicron war, aber für die Betroffenen ist das natürlich ein Riesenproblem.”

In Deutschland bedeuten diese Zahlen: Hunderttausende Menschen leiden unter den Langzeitfolgen einer COVID-19-Infektion. Viele von ihnen können nicht mehr arbeiten, sind sozial isoliert und kämpfen mit einem Gesundheitssystem, das auf ihre komplexen Bedürfnisse nicht vorbereitet ist.

Der Wunsch nach Objektivierung: Biomarker als Hoffnungsträger

Ein großes Problem für viele Betroffene ist die fehlende Objektivierbarkeit ihrer Beschwerden. Noch immer gibt es keinen einfachen Bluttest, der Long COVID oder ME/CFS eindeutig nachweisen könnte:

“Was ich genauso wichtig finde ist, dass wir auf die Suche gehen: Haben wir im Blut nicht irgendeinen Marker, den wir abnehmen können, wo wir genau wissen, ach der hat jetzt was oder der hat einen schweren Verlauf? Das würde glaube ich viel Rationalität in die Debatte bringen.”

Die Forschung arbeitet intensiv an solchen Biomarkern. Erste vielversprechende Ansätze gibt es bereits, doch der Weg bis zur breiten klinischen Anwendung ist noch weit. Für die Betroffenen würde ein verlässlicher Biomarker nicht nur die Diagnosestellung erleichtern, sondern auch die oft erfahrene Stigmatisierung und Psychologisierung ihrer körperlichen Beschwerden reduzieren.

Soziale Unterstützung als Rettungsanker

Erik Zirn ist nach seiner Diagnose seit einem Jahr als Rentner anerkannt. Für ihn persönlich sei die Situation nur durch die Hilfe von Freunden und Familie erträglich, sagt er. Vor Alltagsreizen wie Licht und Lärm können ihn Sonnenbrille und Kopfhörer schützen – seine inneren Konflikte muss er anders bewältigen.

Die Bedeutung eines unterstützenden sozialen Umfelds kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. In unserer Community auf ichbinkeineinzelfall.ch berichten viele Betroffene, wie wertvoll der Austausch mit Menschen ist, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Hier findest du Verständnis, praktische Tipps und emotionalen Halt – auch wenn Familie und Freunde die Erkrankung nicht nachvollziehen können.

Die psychologische Gratwanderung: Akzeptanz ohne Resignation

Eine der größten psychologischen Herausforderungen für chronisch Kranke ist der Umgang mit einer ungewissen Zukunft. Erik beschreibt diesen inneren Balanceakt eindrücklich:

“Es ist eine Gratwanderung zwischen ‘Ich muss die Situation, wie sie jetzt ist, akzeptieren und darf nicht immer hoffen, dass alles gut wird’ und andererseits ‘Ich darf auch nicht die Hoffnung verlieren und sagen, das wird nie wieder was’. Aber ich sehe das bei mir am Anfang der Krankheit und auch bei anderen Leuten immer noch: Wenn entsteht ‘Mein Leben wird nur… mein Leben muss wieder so werden wie vorher’ – das ist kontraproduktiv, das erzeugt Stress.”

Stress, der wahrscheinlich dazu führen würde, seine Krankheit zu verschlimmern. Diese Erkenntnis – dass das Streben nach dem “alten Leben” oft kontraproduktiv ist – gehört zu den schmerzhaftesten, aber auch wichtigsten Einsichten auf dem Weg mit einer chronischen Erkrankung.

Leben im Hier und Jetzt: Strategien für den Umgang mit Long COVID

Für Betroffene gibt es verschiedene Strategien, um mit den Einschränkungen durch Long COVID umzugehen:

  1. Pacing (Aktivitätsmanagement): Lerne deine Energiegrenzen kennen und respektiere sie. Plane Aktivitäten und Ruhephasen sorgfältig.
  2. Akzeptanz: Akzeptiere die aktuelle Situation, ohne die Hoffnung auf Besserung aufzugeben.
  3. Selbstfürsorge: Achte bewusst auf deine körperlichen und emotionalen Bedürfnisse.
  4. Unterstützung suchen: Schließe dich Selbsthilfegruppen und Online-Communities wie unserer an.
  5. Medizinische Begleitung: Suche nach Ärzten, die Long COVID ernst nehmen und sich mit aktuellen Forschungsergebnissen auseinandersetzen.
  6. Anpassung statt Widerstand: Finde neue Wege, um Freude und Erfüllung zu erleben, statt an alten Vorstellungen festzuhalten.

Gemeinsam sind wir stärker: Austausch in unserer Community

Die Erfahrung zeigt: Im Austausch mit anderen Betroffenen liegt eine unglaubliche Kraft. Bei ichbinkeineinzelfall.ch bieten wir einen geschützten Raum für diesen Austausch. Hier kannst du:

  • Deine Geschichte teilen und die Geschichten anderer lesen
  • Praktische Tipps zum Alltag mit Long COVID finden
  • Dich über aktuelle Forschung und Behandlungsansätze informieren
  • Emotionale Unterstützung finden
  • Teil einer verständnisvollen Gemeinschaft werden

Wir laden dich herzlich ein, Teil unserer Community zu werden. Teile deine Erfahrungen, stelle Fragen, gib Tipps weiter – oder lies einfach nur mit. Jeder Weg ist willkommen, denn wir alle wissen: Bei dieser Erkrankung gibt es keine Einheitslösung, und jeder muss seinen eigenen Weg finden.

Fazit: Sichtbarkeit für eine unsichtbare Erkrankung

Geschichten wie die von Erik Zirn sind wichtig, um Long COVID und ME/CFS sichtbar zu machen. Sie zeigen die Realität hinter den nüchternen Statistiken und helfen, Verständnis für eine Erkrankung zu schaffen, die von außen oft nicht sichtbar ist.

Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland stehen wir erst am Anfang, die langfristigen Folgen zu verstehen und angemessene Versorgungsstrukturen zu schaffen. Bis dahin sind Betroffene vor allem auf gegenseitige Unterstützung angewiesen.

Du bist nicht allein. Du bist kein Einzelfall. Und gemeinsam können wir daran arbeiten, die Situation für alle Betroffenen zu verbessern.


Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht? Teile deine Geschichte mit uns im Kommentarbereich oder im Forum auf ichbinkeineinzelfall.ch. Wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

Dieser Beitrag basiert auf einem Interview mit Erik Zirn, das kurz vor dem fünften Jahrestag der ersten in Deutschland registrierten Corona-Infektion geführt wurde. Die zitierten Aussagen stammen direkt aus diesem Interview.

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