
Quelle: Parlament.ch
Der Nationalrat hat am 19. März 2025 mit deutlicher Mehrheit eine Motion angenommen, die tausenden von IV-Antragstellern eine zweite Chance geben könnte. Betroffene, deren Leistungsansprüche aufgrund mangelhafter medizinischer Gutachten abgelehnt wurden, dürfen auf eine Neubeurteilung hoffen.
- Gerechtigkeit für Opfer des Gutachterskandals
- Der Fall Pmeda: Ein systemisches Versagen
- Ein Schritt in Richtung Gerechtigkeit
- Relevanz für Long Covid und ME/CFS-Betroffene
- Die Herausforderungen bei "unsichtbaren" Erkrankungen
- Die Debatte im Nationalrat
- Die politischen Fronten: Wer unterstützte die Motion und wer war dagegen?
- Die entlarvende Logik der Gegenargumente
- Die Perspektive der Betroffenen: Meine eigene Erfahrung mit dem Systemversagen
- Die IV braucht nicht nur Worte, sondern Ressourcen
- Community und Unterstützung
- Ein Systemversagen mit menschlichen Konsequenzen
- Ausblick: Was kommt nach der Motion?
Gerechtigkeit für Opfer des Gutachterskandals
Mit 128 zu 63 Stimmen (bei einer Enthaltung) hat der Nationalrat am 19. März 2025 eine wegweisende Entscheidung getroffen. Die Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) fordert, dass IV-Entscheide neu beurteilt werden können, wenn die ihnen zugrunde liegenden Gutachten gravierende Qualitätsmängel aufweisen. Besonders im Fokus steht dabei die umstrittene Gutachterstelle Pmeda AG.
“Was hier gelaufen ist, war skandalös”, erklärte Kommissionssprecher Christian Lohr (Die Mitte) während der Debatte. Die Motion zielt darauf ab, jenen Menschen zu helfen, die seit 2013 von der Pmeda AG begutachtet wurden und deren Anspruch auf berufliche Massnahmen oder eine IV-Rente aufgrund dieser Gutachten abgelehnt wurde.
Der Fall Pmeda: Ein systemisches Versagen
Auslöser für die Kommissionsmotion war eine SRF-Dokumentation vom 19. September 2024, die gravierende Mängel bei den Gutachten der Pmeda AG und deren Geschäftspraktiken offenlegte. Die 2023 gegründete Eidgenössische Kommission für Qualitätssicherung in der medizinischen Begutachtung (EKQMB) hatte nach systematischer Überprüfung festgestellt, dass die Mehrzahl der untersuchten Pmeda-Gutachten schwerwiegende Mängel aufwies und empfahl, keine weiteren Gutachten an diese Firma zu vergeben.
Während neue Betroffene vor diesen mangelhaften Gutachten geschützt sind, haben diejenigen, die in der Vergangenheit begutachtet wurden, bisher keine rechtliche Möglichkeit, eine Neubeurteilung zu verlangen – selbst wenn ihre Fälle auf nachweislich fehlerhaften Gutachten basieren.
Diese Situation betrifft potentiell tausende Menschen, die möglicherweise zu Unrecht keine IV-Leistungen erhalten und stattdessen von Sozialhilfe leben müssen oder in finanzielle Not geraten sind.
Ein Schritt in Richtung Gerechtigkeit
Die nun angenommene Motion umfasst zwei Hauptziele:
- Eine Gesetzesanpassung, die Revisionen von IV-Entscheiden ermöglicht, wenn diese auf Gutachten von Firmen beruhen, mit denen die Zusammenarbeit auf Empfehlung der EKQMB beendet wurde
- Eine klare Regelung für IV-Stellen bei Revisionsgesuchen, die auch rückwirkende Korrekturen ermöglicht
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider unterstützte das Anliegen der Motion: “Es geht um die Glaubwürdigkeit und das gute Funktionieren der IV und anderer Sozialversicherungen, die auf zuverlässige und qualitativ hochwertige Gutachten angewiesen sind.” Die Umsetzung soll im Rahmen der nächsten IV-Reform erfolgen.
Relevanz für Long Covid und ME/CFS-Betroffene
Dieser parlamentarische Entscheid ist besonders bedeutsam für Menschen mit komplexen chronischen Erkrankungen wie Long Covid oder ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom). SVP-Nationalrat Andreas Glarner wies während der Debatte darauf hin, dass “bereits jetzt eine Lawine an IV-Gutachten zu Personen mit psychischen Problemen auf uns zukommt. Es handelt sich um eine Folge der Pandemie, um Fälle von Long Covid und weitere Erscheinungen.”
Was Glarner als Argument gegen die Motion anführte, zeigt tatsächlich die Dringlichkeit einer Reform des Gutachterwesens. Studien haben gezeigt, dass etwa 1 von 22 Covid-Betroffenen ME/CFS entwickelt – eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu Arbeitsunfähigkeit führt.
Die Herausforderungen bei “unsichtbaren” Erkrankungen
Menschen mit Long Covid, ME/CFS und ähnlichen chronischen Erkrankungen stehen vor besonderen Hürden im IV-Verfahren. Ihre Symptome sind oft nicht mit bildgebenden Verfahren oder Laborwerten nachweisbar, was sie besonders anfällig für Fehlbeurteilungen macht. Wie persönliche Berichte zeigen, werden die massiven Einschränkungen durch diese Erkrankungen häufig unterschätzt oder als psychisch bedingt fehlinterpretiert.
Katharina M., die seit einer Covid-Infektion 2022 an ME/CFS leidet und deren IV-Antrag abgelehnt wurde, erklärt: “Mein Gutachter hat mich 30 Minuten gesehen und dann behauptet, ich sei arbeitsfähig. Dass ich nach dem Termin drei Tage im Bett verbringen musste, weil selbst dieses kurze Gespräch mich völlig erschöpft hat, floss nirgendwo ein. Wenn ich nun eine zweite Chance bekomme, wäre das eine enorme Erleichterung.”
Die Debatte im Nationalrat
Die Abstimmung erfolgte nicht ohne Kontroverse. Eine Minderheit unter Führung von SVP-Nationalrat Andreas Glarner lehnte die Motion ab. Glarner argumentierte, dass die Annahme der Motion zu einer “Riesenbürokratie” führen würde und die IV-Stellen von Revisionsgesuchen “überschwemmt” würden. Angesichts des bestehenden Gutachtermangels würden zusätzliche Prüfungen nur zu weiteren Verzögerungen führen.
Kommissionssprecherin Valérie Piller Carrard (SP) betonte hingegen die menschliche Dimension: “Die Entscheidung, einer Person eine IV-Leistung zu gewähren oder nicht, hat erhebliche Auswirkungen auf ihr Leben. Deshalb muss die Grundlage einer solchen Entscheidung, nämlich das medizinische Gutachten, von hoher Qualität und einwandfrei sein.”
Die politischen Fronten: Wer unterstützte die Motion und wer war dagegen?
Die Abstimmung im Nationalrat über die Motion zur Neubeurteilung von IV-Entscheiden offenbarte eine klare politische Trennlinie. Mit 128 zu 63 Stimmen bei einer Enthaltung wurde die Motion angenommen, wobei die Unterstützung und der Widerstand klar definiert waren.
Die Befürworter
Die Motion wurde ursprünglich von der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) mit 14 zu 7 Stimmen bei 4 Enthaltungen eingebracht. Zu den wichtigsten Befürwortern gehörten:
- Christian Lohr (Die Mitte), der als Kommissionssprecher die Motion präsentierte und den Skandal um die Pmeda AG scharf kritisierte: “Was hier gelaufen ist, war skandalös. Vielen Betroffenen wurde durch mangelhafte Gutachten grosses Unrecht zugefügt, und das Kontrollsystem hat schweizweit kläglich versagt.”
- Valérie Piller Carrard (SP) betonte als zweite Kommissionssprecherin die menschliche Dimension: “Die Entscheidung, einer Person eine IV-Leistung zu gewähren oder nicht, hat erhebliche Auswirkungen auf ihr Leben. Deshalb muss die Grundlage einer solchen Entscheidung, nämlich das medizinische Gutachten, von hoher Qualität und einwandfrei sein.” Sie unterstrich auch, dass die Motion dazu beitragen soll, das Vertrauen in das IV-System wieder aufzubauen.
- Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider stellte sich im Namen des Bundesrats hinter die Motion: “Es geht um die Glaubwürdigkeit sowie das gute Funktionieren der IV und der anderen Sozialversicherungen, die auf zuverlässige und qualitativ hochwertige Gutachten angewiesen sind.” Sie betonte zudem die Notwendigkeit, “die menschliche Dimension zu berücksichtigen” und das Vertrauen der Versicherten in das System zu stärken.
Die meisten Mitte-, SP-, Grünen- und GLP-Parlamentarier:innen unterstützten die Motion, mit dem Argument, dass es um Gerechtigkeit für die Betroffenen gehe und darum, ein ernsthaftes Systemversagen zu korrigieren.
Die Gegner
Die Opposition gegen die Motion kam hauptsächlich aus den Reihen der SVP. Die wichtigsten Gegenstimmen waren:
- Andreas Glarner (SVP) führte die Minderheit an, die die Motion ablehnte. Er argumentierte, dass die Annahme zu einer “Riesenbürokratie” führen würde: “Nehmen wir nun diese Motion an, dann schaffen wir eine Riesenbürokratie. Diese Motion ist ein typischer Fall für unsere Art der Gesetzgebung hier drin. Wir beschäftigen uns praktisch nur noch mit Einzelfällen, die zu Rechtsänderungen führen, obwohl die letzte Änderung noch gar nicht vollzogen ist.”
- Glarner warnte auch vor einer Überlastung des Systems: “Wenn wir diese Motion annehmen, werden die IV-Stellen von Revisionsgesuchen überschwemmt, und da es sonst schon zu wenig Gutachter gibt, helfen wir den Menschen, deren Fall auf dem Pendenzenberg liegt, nicht, wenn wir zusätzliche Prüfungen verlangen und noch mehr Kapazitäten binden.”
- Ein weiteres Argument der Gegner war die Befürchtung vor einer Flut neuer Anträge: “Es kommt bereits jetzt eine Lawine an IV-Gutachten zu Personen mit psychischen Problemen auf uns zu. Es handelt sich um eine Folge der Pandemie, um Fälle von Long Covid und weitere Erscheinungen,” so Glarner.
Die SVP-Fraktion stimmte geschlossen gegen die Motion, mit dem Grundgedanken, dass der administrative Aufwand nicht im Verhältnis zum Nutzen stehe und dass das Problem bereits durch den Ausschluss fehlbarer Gutachter gelöst sei.
Die entlarvende Logik der Gegenargumente
Betrachtet man die Argumente der Motionsgegner genauer, offenbart sich eine geradezu zynische Logik: “Wenn wir jetzt endlich das berichtigen, was wir schon so lange versäumt haben, dann kommen doch die, denen Unrecht widerfahren ist durch unser Verschulden, auf uns zu und fordern die Gerechtigkeit ein, die ihnen zusteht.”
Genau das ist der Kern ihrer Angst vor “Überschwemmung mit Revisionsgesuchen” und “Riesenbürokratie”. Sie geben damit implizit zu, dass das Unrecht so umfassend ist, dass dessen Korrektur das System überfordern würde. Anstatt jedoch die erschreckende Dimension des Problems anzuerkennen, wird daraus ein Argument gegen dessen Behebung gemacht.
Es ist, als würde man sagen: “Wir können die falsch Verurteilten nicht aus dem Gefängnis entlassen, weil es zu viele sind und die Verwaltung dann überlastet wäre.” Oder: “Wir dürfen den durch unsere Fehler Geschädigten nicht helfen, weil es so viele sind, dass es teuer wird.”
Diese Logik stellt nicht nur die moralische Ordnung auf den Kopf, sie ist auch ein Eingeständnis des systemischen Versagens – garniert mit der Weigerung, die Konsequenzen zu tragen. Es ist die ultimative Bankrotterklärung eines Systems, das die Menschen schützen sollte, denen es stattdessen schadet und diesen Schaden dann aus Bequemlichkeit fortschreiben will.
Was bedeutet dies für dich als Betroffene:n?
Diese politische Auseinandersetzung mag auf den ersten Blick abstrakt erscheinen, hat aber direkte Auswirkungen auf deine Situation, wenn du von mangelhaften Gutachten betroffen bist. Die klare Mehrheit für die Motion zeigt, dass ein breiter politischer Konsens besteht, dass das bisherige System Fehler aufweist, die korrigiert werden müssen.
Gleichzeitig verdeutlichen die Gegenargumente die Herausforderungen, die bei der Umsetzung noch zu bewältigen sind: Wie kann eine Neubeurteilung fair und effizient gestaltet werden, ohne das System zu überlasten? Wie können genügend qualifizierte Gutachter:innen gefunden werden? Und wie kann verhindert werden, dass sich die Bearbeitung neuer IV-Anträge durch die zusätzliche Belastung weiter verzögert?
Diese Fragen werden in den kommenden Monaten im Rahmen der IV-Reform diskutiert werden. Als Betroffene:r ist es wichtig, dass du die Entwicklungen verfolgst und dich gegebenenfalls über Patient:innenorganisationen in die Diskussion einbringst. Unsere Community kann dir dabei helfen, auf dem Laufenden zu bleiben und deine Interessen zu vertreten.
Die Annahme der Motion ist ein wichtiger erster Schritt, aber der Weg zur tatsächlichen Umsetzung ist noch lang. Bundesrätin Baume-Schneider wies darauf hin, dass noch geprüft werden müsse, wie weit die Wirkung der neuen Regelung in die Vergangenheit zurückreichen soll. Die Überprüfung von zehn Jahre alten Sachverhalten würde “im Hinblick auf die Entwicklung des Gesundheitszustands der Person ernsthafte Beurteilungsprobleme aufwerfen.”
Wenn dein IV-Antrag in der Vergangenheit abgelehnt wurde und du vermutest, dass deiner Begutachtung Mängel zugrunde lagen, empfehlen wir dir:
- Dokumentation sichern: Bewahre alle Unterlagen zu deinem IV-Verfahren auf und stelle sicher, dass klar ist, welche Gutachterstelle involviert war
- Informiert bleiben: Verfolge die Umsetzung der Motion und die kommende IV-Reform
- Netzwerke nutzen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann dir wertvolle Informationen und emotionale Unterstützung bieten
Die Perspektive der Betroffenen: Meine eigene Erfahrung mit dem Systemversagen
Als Gründer dieser Webseite spreche ich nicht nur theoretisch über diese Problematik – ich erlebe sie täglich am eigenen Leib. Meine Frau und ich sind beide von Long Covid schwer betroffen, und die Argumente der Motionsgegner empfinde ich als zutiefst verletzend und realitätsfern.
Wenn ich Nationalrat Glarner über die Gefahr einer “Riesenbürokratie” sprechen höre, während meine Frau und ich seit Jahren um unser Überleben kämpfen, kann ich nur bitter lachen. Die Krankheit allein hat uns bereits aus unserem Leben gerissen, uns Beruf, Alltag und Lebensqualität genommen. Doch statt Unterstützung zu erhalten, müssen wir zusätzlich gegen fehlerhafte Gutachten der Pmeda ankämpfen – als ob die gesundheitliche Belastung nicht bereits genug wäre.
Wir haben sogar vor dem Versicherungsgericht Recht bekommen, doch passiert ist trotzdem seit bald zwei Jahren nichts. Währenddessen gehen wir finanziell und emotional immer mehr unter. Die tägliche Realität von chronisch kranken Menschen wie uns wird von denjenigen, die über “Bürokratiebelastung” klagen, offensichtlich nicht einmal im Ansatz verstanden.
Genau deshalb habe ich “Ich bin kein Einzelfall” ins Leben gerufen – weil ich weiß, dass wir tausende sind. Menschen, deren Leben durch die Krankheit und anschließend durch ein versagendes Unterstützungssystem doppelt zerstört wurden. Es ist eine bittere Ironie, dass nun ausgerechnet die große Zahl der Betroffenen als Argument gegen Verbesserungen angeführt wird.
In der Debatte höre ich ständig die implizite Unterstellung, wir seien Simulanten oder würden das System ausnutzen wollen. Doch die Wahrheit ist: Wir wollen nur das, was uns zusteht. Was uns helfen würde, nicht vollständig abzurutschen. Was wir nach jahrelanger Arbeit und Einzahlung in die Sozialversicherungen verdienen: Unterstützung in unserer schwersten Zeit.
Die Angst vor “zu vielen Anträgen” zeigt doch nur, wie umfassend das System versagt hat. Wenn Parlamentarier den administrativen Aufwand scheuen, den die Korrektur dieser Fehler mit sich bringt, dann übersehen sie völlig, dass dieser Aufwand nur deshalb notwendig wird, weil man jahrelang weggeschaut hat – während Firmen wie die Pmeda mangelhafte Gutachten erstellten und damit Existenzen zerstörten.
Als Betroffener sage ich ganz klar: Es geht hier nicht um Statistiken oder Verwaltungseffektivität. Es geht um zerbrochene Leben. Um Menschen wie meine Frau und mich, die jeden Tag kämpfen – gegen die Symptome, gegen behördliche Hürden, gegen finanzielle Not. Die beschlossene Motion ist ein längst überfälliger erster Schritt, um dieses Unrecht zu korrigieren.
Ich hoffe inständig, dass die Umsetzung nun rasch und im Sinne der Betroffenen erfolgt. Denn während die Politiker debattieren, versinken wir und viele andere Betroffene immer tiefer in einer Krise, die nicht sein müsste, hätte das System von Anfang an funktioniert.
Die IV braucht nicht nur Worte, sondern Ressourcen
Die jüngst beschlossene Motion ist ein wichtiger Schritt, aber ohne entsprechende finanzielle Mittel wird sie ein leeres Versprechen bleiben. Die harte Realität ist: Die IV muss dringend besser ausgestattet werden, um den wachsenden Herausforderungen unserer Zeit gerecht zu werden. Hinter den Kulissen wird seit Jahren bei den Sozialversicherungen gespart, während gleichzeitig immer mehr Menschen – nicht zuletzt durch die Pandemie und ihre Langzeitfolgen – auf Unterstützung angewiesen sind.
Als Betroffener erlebe ich täglich, wie das System an seine Grenzen stößt. Überlastete Sachbearbeiter, lange Wartezeiten, fehlende Fachexpertise für komplexe Krankheitsbilder wie Long Covid und ME/CFS – all das sind Symptome einer chronischen Unterfinanzierung. Wie soll eine seriöse Neubeurteilung der fehlerhaften Gutachten stattfinden, wenn schon jetzt jeder Fall Monate oder Jahre dauert? Wie sollen qualifizierte Gutachter gefunden werden, wenn die Honorare zu niedrig sind?
Die Politik muss jetzt handeln und nicht nur wohlklingende Absichtserklärungen abgeben. Es braucht ein klares Bekenntnis zu einer angemessen finanzierten IV, die ihren Auftrag erfüllen kann: Menschen in Not zu unterstützen. Die immer wieder aufflammenden Debatten über “Scheininvalide” und angebliche Sparzwänge lenken vom eigentlichen Problem ab – einem System, das zu oft an den Bedürfnissen der wirklich Betroffenen vorbei operiert.
Wenn das Parlament die Fehler der Vergangenheit wirklich korrigieren will, dann muss es den Worten auch Taten folgen lassen. Das bedeutet: ausreichende Budgets für die IV-Stellen, Investitionen in Fachwissen zu komplexen chronischen Erkrankungen, angemessene Entlohnung für wirklich unabhängige Gutachter und schnellere Verfahren. Ohne diese Ressourcen bleibt die Motion nur ein Lippenbekenntnis, das im politischen Alltag verhallt, während Menschen wie meine Frau und ich weiterhin verzweifelt auf Hilfe warten.
Die Frage an die Politik lautet also nicht nur: Wollt ihr das System verbessern? Sondern vor allem: Seid ihr bereit, dafür auch die notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen? Denn nur so kann aus dem jetzigen Hoffnungsschimmer eine echte Chance für tausende Betroffene werden.
Community und Unterstützung
Unsere Community bietet dir als Betroffene:r von Long Covid und ME/CFS eine Plattform zum Austausch von Erfahrungen, auch im Umgang mit Behörden und Versicherungen. Die Komplexität dieser Erkrankungen und die oft langwierigen Verfahren zur Anerkennung können überwältigend sein – gemeinsam lässt sich diese Last leichter tragen.
Ein Systemversagen mit menschlichen Konsequenzen
Der Fall Pmeda wirft ein Schlaglicht auf ein systemisches Problem: Zu viele Menschen mit chronischen Erkrankungen werden im derzeitigen IV-System nicht angemessen erfasst und unterstützt. Die Folgen sind oft verheerend – finanzielle Not, soziale Isolation und das Gefühl, vom System im Stich gelassen zu werden.
In zahlreichen persönlichen Geschichten auf unserer Webseite beschreiben Betroffene, wie sie zwischen den Stühlen der verschiedenen Sozialversicherungssysteme landen. Viele berichten von dem demütigenden Gefühl, ihre Erkrankung ständig rechtfertigen zu müssen, und der Erschöpfung durch endlose Behördengänge – zusätzlich zu den bereits belastenden Symptomen ihrer Erkrankung.
Ausblick: Was kommt nach der Motion?
Mit der Annahme der Motion ist ein wichtiger Schritt getan, aber der Weg zu einer tatsächlichen Verbesserung ist noch lang. Die nächste IV-Reform wird zeigen, wie die Anliegen der Motion konkret umgesetzt werden.
Drei zentrale Fragen stehen dabei im Raum:
- Rückwirkung: Für welchen Zeitraum sollen Neubeurteilungen möglich sein?
- Bewertungsgrundlagen: Welche neuen Kriterien sollen für die Neubeurteilung gelten?
- Ressourcen: Wie kann sichergestellt werden, dass die IV-Stellen die zusätzlichen Anträge bewältigen können?
Die nun beschlossene Motion ist ein wichtiges Signal für mehr Fairness im Schweizer Sozialversicherungssystem. Für die zahlreichen Betroffenen mangelhafter Gutachten bietet sie Hoffnung auf eine zweite Chance und die Möglichkeit, endlich die Unterstützung zu erhalten, die ihnen zusteht.
Bist du betroffen von Long Covid, ME/CFS oder anderen chronischen Erkrankungen und hast Fragen zum IV-Verfahren? Werde Teil unserer Community und profitiere vom Wissen und der Unterstützung anderer Betroffener.