
Quelle: thesicktimes.org
Wie Daten, Programme und Unterstützungsleistungen für Millionen Betroffener seit Anfang 2025 systematisch zurückgebaut werden
- Das Verschwinden einer Gesundheitskrise
- Die absurde Demontage von Long-COVID-Programmen
- Das Verschwinden der Daten – Eine neue Form der Realitätsleugnung
- Die Zensur der Betroffenen
- Die wissenschaftlichen Kollateralschäden
- Ein Muster der Leugnung
- Die vergessenen Millionen
- Die Widerstandsbewegung
- Eine Frage der Prioritäten
- Die kognitive Dissonanz der offiziellen Politik: Daten löschen und gleichzeitig Wahrheiten verkünden
Das Verschwinden einer Gesundheitskrise
Es ist ein beunruhigendes Phänomen, das seit Anfang 2025 zu beobachten ist und dennoch kaum mediale Aufmerksamkeit erhält: Die systematische Auslöschung von Long COVID aus dem öffentlichen Bewusstsein, aus Forschungsprogrammen und aus Gesundheitsstatistiken. Was hier geschieht, ist nicht einfach nur eine Neuausrichtung von Prioritäten oder eine Anpassung von Ressourcenverteilungen – es handelt sich um eine konzertierte Aktion, um eine der größten Gesundheitskrisen unserer Zeit unsichtbar zu machen.
Ich habe mich entschieden, dieses Thema aufzugreifen, nicht um Position zu beziehen oder politische Schuldzuweisungen vorzunehmen, sondern um verschiedene Betrachtungsweisen von Informationen zugänglich zu machen. Die Diskrepanz zwischen der offiziellen Darstellung, die Pandemie sei “vorbei”, und der Realität von Millionen Menschen, die weiterhin unter den Langzeitfolgen leiden, könnte kaum größer sein.
Die absurde Demontage von Long-COVID-Programmen
Seit Januar 2025 wurden nahezu alle bundesweiten Programme und Initiativen zur Unterstützung von Long-COVID-Patienten in den USA entweder vollständig eingestellt oder drastisch gekürzt. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit dieser Rückabwicklung ist beispiellos in der modernen Gesundheitspolitik:
- Das Büro für Long-COVID-Forschung und -Praxis des US-Gesundheitsministeriums (HHS) wurde geschlossen, bevor es überhaupt richtig seine Arbeit aufnehmen konnte. Diese Einrichtung sollte als zentrale Koordinationsstelle dienen, um Forschungsbemühungen zu bündeln und einheitliche Behandlungsstandards zu entwickeln.
- Der Beratende Ausschuss des Gesundheitsministers zu Long COVID wurde aufgelöst – ein Gremium, das maßgebliche Empfehlungen zur Forschungsausrichtung, zu Behindertenrechten und zur Gesundheitsversorgung geben sollte.
- Das Netzwerk für Long-COVID-Versorgung der Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ) verlor seinen Vertrag, der die Beteiligung von Patienten an wichtigen Entscheidungsprozessen sicherstellte. Den verbleibenden Standorten droht nun eine Kürzung ihrer Mittel um 80-90%.
- Die Long-COVID-Programme der Substance Abuse and Mental Health Services Administration (SAMHSA) und des Arbeitsministeriums wurden eingestellt, bevor sie überhaupt starten konnten – Programme, die sich mit den psychischen Auswirkungen und beruflichen Wiedereingliederungsmöglichkeiten befassen sollten.
Die Absurdität dieser Maßnahmen liegt nicht nur in ihrem Umfang, sondern auch in ihrem Timing: Gerade jetzt, wo die Wissenschaft begonnen hat, die komplexen Mechanismen hinter Long COVID besser zu verstehen und erste vielversprechende Behandlungsansätze zu entwickeln, werden die Strukturen zerschlagen, die diese Fortschritte ermöglichen könnten.
Das Verschwinden der Daten – Eine neue Form der Realitätsleugnung
Parallel zur Einstellung der Programme ist eine ebenso beunruhigende Entwicklung zu beobachten: das systematische Verschwinden von Daten zu Long COVID.
Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) haben ihre Webseite mit Long-COVID-Daten aus dem Household Pulse Survey (HPS) als “historisch” eingestuft und archiviert – mit dem deutlichen Hinweis, dass sie nicht mehr aktualisiert wird. Noch alarmierender: Im Februar 2025 wurde bekannt, dass die Census-Behörde die Fragen zu Long COVID komplett aus der Erhebung entfernt hat.
Diese Umfrage war eines der wenigen Instrumente, die überhaupt einen Einblick in die Prävalenz von Long COVID in der Bevölkerung ermöglichten. Sie zeigte, dass zwischen 5% und 7% der US-amerikanischen Erwachsenen unter anhaltenden Symptomen litten, wobei etwa ein Viertel der Betroffenen über erhebliche Einschränkungen im Alltag berichtete.
Bemerkenswert ist auch der zeitliche Zusammenhang: Nach einem Bericht von STAT News wurden seit Anfang 2025 mindestens 143 Datensätze von der öffentlichen Datenplattform der CDC entfernt. Die Begründung war in vielen Fällen, dass diese Daten den Begriff “Gender” enthielten oder Informationen zur Geschlechtsidentität erfassten – was jedoch nicht erklärt, warum auch Long-COVID-Daten betroffen waren.
Ein Epidemiologe, Samuel Packard, der zur Erfassung von Long COVID gearbeitet hat, beschreibt die Folgen dieser Datenmanipulation treffend: “Wenn sie ihre Datensätze modifizieren oder offline nehmen, haben Sie plötzlich Epidemiologen, die normalerweise sagen würden ‘Gehen Sie zur CDC’… Jetzt wird sogar diese Gruppe von Menschen sagen: ‘Sie können den Daten der CDC nicht vertrauen.'”
Die Zensur der Betroffenen
Die Auslöschung von Long COVID manifestiert sich nicht nur in Daten und Programmen, sondern auch in einer beunruhigenden Einschränkung der Möglichkeiten für Betroffene, sich Gehör zu verschaffen:
- Long-COVID-Organisationen und -Initiativen berichten von extremer Zensur in sozialen Medien und in der Presse, was die Organisation und Aufklärung im Internet – ein wesentliches Werkzeug für Menschen mit Behinderungen, die nicht an Präsenzveranstaltungen teilnehmen können – erheblich erschwert.
- Die Möglichkeiten für öffentliche Stellungnahmen beim Gesundheitsministerium wurden eliminiert, wodurch Patienten und Interessenvertreter von Entscheidungen ausgeschlossen werden, die ihr Leben direkt betreffen.
- Die Auflösung des Beratenden Ausschusses für Gesundheitsgleichheit der Centers for Medicare & Medicaid Services (CMS) gefährdet wesentliche Medicaid- und Medicare-Schutzmaßnahmen, die für viele Long-COVID-Patienten überlebenswichtig sind.
Hannah Davis, Mitbegründerin des Patient-Led Research Collaborative, bringt es auf den Punkt: “Es gab nicht nur einen Mangel an Überwachung. Es gab einen aktiven Versuch, nicht zu überwachen. Wenn [Regierungsbehörden] keine Zahlen zu korrekten Long-COVID-Fällen haben, ist es für sie einfacher, zu behaupten, dass die Pandemie vorbei ist.”
Die wissenschaftlichen Kollateralschäden
Die Einstellung der Programme und die Zensur der Daten haben direkte Auswirkungen auf die wissenschaftliche Forschung:
- Die Kürzung der NIH-Forschung zu Long-COVID-assoziierten Erkrankungen (wie ME/CFS) hat kritische wissenschaftliche Fortschritte zum Stillstand gebracht.
- Die NIH RECOVER-Initiative, das einzige verbliebene föderale Long-COVID-Programm, steht ebenfalls unter erheblichem Druck.
Diese Entwicklungen verzögern nicht nur die Entwicklung von Behandlungen, die Menschen die Rückkehr ins Arbeitsleben ermöglichen könnten, sondern untergraben auch das Vertrauen in wissenschaftliche Institutionen insgesamt.
Ein Muster der Leugnung
Was wir hier beobachten, ist kein isoliertes Phänomen, sondern Teil eines größeren Musters der Leugnung und Verharmlosung. Bereits unter der vorherigen Administration wurde die CDC-Schwelle für “Community Levels” geändert, wodurch die COVID-19-Risikokarte der USA praktisch über Nacht von leuchtend rot zu gedämpftem Gelb und Grün wechselte.
Diese Datenmanipulationen haben dazu beigetragen, dass Regierungsvertreter, Meinungsmacher und Journalisten endlose SARS-CoV-2-Infektionen als unbedenklich darstellen konnten. Die Berichterstattung in den Mainstream-Medien wiederholt gebetsmühlenartig, dass Krankenhausaufenthalte und Todesfälle niedriger seien als auf dem “Höhepunkt der Pandemie” – das Risiko von Long COVID wird dabei selten erwähnt.
Die Parallelen zur Diskussion um den Ursprung des Virus sind frappierend: In beiden Fällen werden unbequeme Fakten und alternative Sichtweisen systematisch aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt.
Die vergessenen Millionen
Während die Politik und weite Teile der Medienlandschaft die Pandemie für beendet erklärt haben, leben Millionen Menschen weiterhin mit den verheerenden Folgen von Long COVID:
- Anhaltende Erschöpfung und Fatigue, die an das chronische Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) erinnern
- Kognitive Beeinträchtigungen wie “Brain Fog”, Konzentrationsstörungen und Gedächtnisprobleme
- Atembeschwerden und verminderte Lungenkapazität
- Herz-Kreislauf-Probleme und neurologische Symptome
Viele dieser Menschen sind nicht mehr arbeiten, was enorme persönliche und volkswirtschaftliche Kosten verursacht. Der Verlust an Arbeitskraft und Lebensqualität ist immens.
Eine Umfrage des New Yorker Gesundheitsamts aus dem Jahr 2022 ergab, dass erschreckende 80% der erwachsenen New Yorker, die an COVID-19 erkrankt waren, “mindestens ein Symptom erlebten, das einen Monat oder länger anhielt.” Solche Zahlen passen nicht in das Narrativ einer überwundenen Pandemie.
Die Widerstandsbewegung
Trotz dieser systematischen Auslöschung gibt es Widerstand. Patientenorganisationen wie das Patient-Led Research Collaborative (PLRC) und CrunchME sammeln und veröffentlichen weiterhin Daten und Informationen zu Long COVID und verwandten Erkrankungen.
“Genaue Statistiken sind entscheidend, um die Sprache der politischen Entscheidungsträger zu sprechen und unseren Fall so überzeugend wie möglich darzulegen”, schreibt Rory Preston, der Gründer von CrunchME, in einem kürzlich erschienenen Essay.
Lokale Gemeinschaften organisieren sich in Maskenblöcken, Luftreiniger-Leihbibliotheken, Long-COVID-Unterstützungsgruppen und COVID-bewussten Treffen. All diese Organisatoren füllen die Lücken, die durch das weitverbreitete Versagen der Regierung entstanden sind.
Eine Frage der Prioritäten
Was wir derzeit erleben, ist keine zufällige Entwicklung, sondern eine bewusste politische Entscheidung: Die Gesundheit und das Wohlbefinden von Millionen von Menschen mit Long COVID werden den wirtschaftlichen und politischen Interessen geopfert, die eine “Rückkehr zur Normalität” fordern.
Die Ironie dabei ist, dass dieser kurzfristige Ansatz langfristig zu weit höheren Kosten führen wird – sowohl menschlich als auch wirtschaftlich. Ohne angemessene Forschung, Behandlung und Unterstützung werden Millionen von Menschen mit Long COVID zu einer dauerhaften Belastung für das Gesundheits- und Sozialsystem werden.
Es ist an der Zeit, die systematische Auslöschung von Long COVID zu erkennen und zu benennen. Nicht aus politischen Gründen, sondern aus Respekt vor der Wahrheit und aus Mitgefühl für die Betroffenen. Die Pandemie mag für viele vorbei sein – für Millionen von Long-COVID-Patienten hat der Kampf gerade erst begonnen.
Die kognitive Dissonanz der offiziellen Politik: Daten löschen und gleichzeitig Wahrheiten verkünden
Die wohl absurdeste Dimension der aktuellen Entwicklungen ist die schizophrene Haltung der US-Regierung gegenüber COVID-19. Auf der einen Seite erleben wir eine systematische Löschung und Unterdrückung von Daten zu Long COVID und dessen anhaltenden Auswirkungen – ein bewusstes Ausradieren einer Gesundheitskrise, die Millionen betrifft. Die Botschaft ist klar: Diese Pandemie und ihre Folgen sollen aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden.
Gleichzeitig präsentiert dieselbe Regierung auf einer offiziellen Webseite des Weißen Hauses mit dem Titel “Lab Leak: The True Origins of Covid-19” eine Reality-Show-artige Inszenierung, die den Laborursprung des Virus nicht als eine von mehreren Hypothesen, sondern als unumstößliche Wahrheit verkauft. Mit dramatischen Überschriften, spektakulär aufbereiteten Grafiken und einem 557-seitigen Dokument wird eine definitive Erklärung für die Pandemie präsentiert – ohne dass eine umfassende, unabhängige internationale Untersuchung stattgefunden hätte.
Diese kognitive Dissonanz ist atemberaubend: Einerseits verweigert man die systematische Erfassung der anhaltenden Folgen der Pandemie und löscht bestehende Daten, andererseits beansprucht man absolute Gewissheit über ihren Ursprung. Man könnte fragen: Wie kann eine Regierung, die nicht einmal in der Lage oder willens ist, die gesundheitlichen Auswirkungen auf ihre eigene Bevölkerung zu dokumentieren, plötzlich über gesicherte Erkenntnisse zum komplexen Ursprung des Virus verfügen?
Diese widersprüchliche Herangehensweise offenbart, dass es hier nicht um wissenschaftliche Redlichkeit oder gesundheitspolitische Verantwortung geht, sondern um politisches Kalkül. Die Daten zu Long COVID werden gelöscht, weil sie eine unbequeme Wahrheit erzählen – dass die Pandemie keineswegs vorbei ist. Die Laborursprungstheorie wird hingegen in spektakulärer Weise als Wahrheit inszeniert, weil sie in die geopolitische Agenda passt.
In beiden Fällen wird Wissenschaft instrumentalisiert, manipuliert oder ignoriert, je nachdem, was politisch opportun erscheint. Die Leidtragenden sind nicht nur die Millionen von Long-COVID-Betroffenen, denen Hilfe und Anerkennung verweigert wird, sondern letztlich auch die wissenschaftliche Integrität und das öffentliche Vertrauen in Institutionen – Grundpfeiler, ohne die eine Demokratie nicht funktionieren kann.
Wer sich für eine detailliertere Analyse der “Lab Leak”-Webseite des Weißen Hauses und ihrer wissenschaftlichen sowie politischen Einordnung interessiert, dem sei mein ausführlicher Artikel “Die COVID-19-Ursprungsfrage: Zwischen Laborthese und natürlicher Entstehung” empfohlen. Dort beleuchte ich die komplexen Hintergründe und verschiedenen Perspektiven zu dieser Kontroverse, die im starken Kontrast zur aktuellen Auslöschung von Long-COVID-Daten steht.
Dieser Artikel dient Informationszwecken und stellt die aktuelle Situation rund um Long COVID dar. Er spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung des Autors wider und sollte als Beitrag zur öffentlichen Diskussion verstanden werden.